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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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unsere Ehepartner zu stoßen. Maike arbeitete praktischerweise nur einen Steinwurf entfernt im Georgspalast, Hannovers traditionsreichem Varieté-Theater, als Künstler-Agentin.
    Wir kannten uns schon seit einigen Jahren, aber wirklich nähergekommen waren wir uns erst vor knapp sechs Monaten, als wir uns zufälligerweise in einer Mittagspause in der Holländischen Kakao-Stube begegneten und sie mir ihre Probleme mit dem großen Felix Augustus Heine offenbarte. Mein einfühlsames Verständnis für ihre Klagen hatte ihr schließlich Herz, Augen und Schenkel geöffnet.
    Zurück in der Küche, traf ich auf Sandy, die sich ebenfalls umgezogen hatte und nun mit ihrer taillierten weißen Bluse und der Hüftjeans die lässige Gastgeberin mimen wollte.
    »Gut siehst du aus, Schatz!«, log ich. »Soll ich dir bei den Essensvorbereitungen noch zur Hand gehen, oder genügt es, wenn ich mich nachher um das Wildschwein kümmere?«
    »Vorspeisen und Dessert schaffe ich schon alleine.« Sie band sich eine Schürze um. »Musst du etwa noch arbeiten?«
    »Nein, aber ich muss noch kurz ein sensibles Telefonat mit einem meiner adligen Klienten führen, der in einem Anfall von Wahnsinn einen Paparazzo mit einem Schirm verprügelt haben soll.«
     
    Das Essen war großartig und schien unseren Gästen geschmeckt zu haben. Selbst die Konsulin rang sich ein Kompliment ab, meinte, dieses Jahr sei der Überläufer besonders zart gewesen, was zwar keinesfalls als Lob für meine Kochkunst aufzufassen war, mir aber immerhin bescheinigen sollte, fähig gewesen zu sein, mir kein minderwertiges Fleisch angedreht haben zu lassen.
    Auch ihr Hausgalan, der geile Manni, wie ich ihn insgeheim nannte, klopfte mir als passionierter Jäger anerkennend auf die Schulter und meinte, dass auch er es nicht besser hinbekommen hätte. »Wildschwein ist Kraft für die Lenden!« Sein Lieblingsspruch – aber es schien zu stimmen, denn oft hörten wir, zu Sandys Entsetzen, meine fast sechzigjährige Schwiegermutter lustvoll durch die Wände kreischen, als wäre der Manni mit der Saufeder hinter ihr her.
    Von der Vitalität ihrer Mutter hätte sich Sandy durchaus eine Scheibe abschneiden können, aber was ihre Libido betraf, kam sie wohl eher nach dem Vater, dessen sexuelles Desinteresse bereits vor seinem Tode dazu geführt hatte, die eigene Ehefrau in die Arme seines Prokuristen zu treiben. Gut, aber was interessierten mich die außerehelichen Gepflogenheiten der Familie Strathmann-Gehrke, ich hatte ja meine eigenen Eskapaden zu managen.
    Schon bei der Begrüßung hatte sich Maike bei der üblichen Umarmung an mich gepresst, nur um mich fühlen zu lassen, dass sie völlig nackt unter ihrem bezaubernden Jersey-Kleid war.
    Meine unbändige Lust auf dieses frivole Menschenkind wurde nur durch ihren Ehemann, den arbeitslosen Historiker Dr. Jens Roethe, gedämpft, der unter dem Pseudonym Felix Augustus Heine schlechte Lyrik in einem kleinen hannoverschen Verlag veröffentlichte.
    Roethe war ein uralter Freund Sandys, und ich vermutete, dass die beiden vor meiner Zeit mal etwas miteinander gehabt hatten, was meine Frau jedoch seit Jahren vehement bestritt. Ich glaubte ihr kein Wort, bemerkte ich doch seinen anhimmelnden Blick, wenn er sich in Sicherheit wähnte, Sandy heimlich beobachten zu können. Außerdem war er mir von Anfang an mit einer süffisanten Überheblichkeit begegnet, die oft Ex-Liebhabern zu eigen ist, wenn sie auf ihre Nachfolger treffen. Er suchte ständig nach Gelegenheiten, um mir im Beisein unserer Ehefrauen seine vermeintliche Überlegenheit zu demonstrieren. Er, der berufliche Loser, der an Maikes pekuniärem Tropf hing, konnte nur seine lächerliche Halbbildung und die vermeintlich literarischen Ambitionen in die Waagschale werfen, um seinen finanziellen Minderwertigkeitskomplex auszugleichen.
    Nach dem Essen wechselten wir ins Wohnzimmer. Als ich nach einer kleinen Stichelei aus Roethes Mund nicht sofort mit gleicher Münze kontern konnte, weil ich durch Maikes Hand abgelenkt war, die mir unauffällig über den Schritt geglitten war, kommentierte er meine etwas hilflose Stotterei mit einem Karl-Kraus-Zitat: »Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.«
    Das Schwiegermonster und der geile Manfred fanden die Sottise erheiternd, und selbst Sandy kicherte, als sie die Kerzen des riesigen Tannenbaums entzündete, der dieses Jahr aus Platzgründen in der Bücherwandecke stand. Nur Maike winkte ab und

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