Maria, Mord und Mandelplätzchen
bösen Blicken durchbohrt. Dann wandte sie sich an Jens. »Oben in seinem Arbeitszimmer stehen sechs geöffnete Tignanello, die habe ich dort vor wenigen Minuten entdeckt.«
Jens stellte die Flasche ab, lief aus dem Zimmer und polterte die Treppe hoch. Nur zwei Sekunden später hörte man sein Triumphgeheul durchs ganze Haus »Gaja! Eindeutig – du hast den Wein vertauscht, du Schwein!«
Mir schwankte der Boden unter den Füßen, Maike kicherte vor sich hin, die Konsulin empörte sich lautstark, der geile Manni grunzte zustimmend, Sandy schüttelte verständnislos den Kopf und meinte, dass diese Nummer eines Juristen unwürdig wäre.
Dann ging alles blitzschnell. Jens kam ins Wohnzimmer zurückgerannt, stürzte sich wortlos auf mich und ließ seine Fäuste fliegen. Sandy und Maike versuchten sofort, uns zu trennen, doch der unkontrolliert schlagende Jens traf Sandy am Kinn, so dass sie nach hinten weggestoßen wurde und mit rudernden Armen in den Tannenbaum fiel. Dieser kippte um und verursachte nur einen Lidschlag später eine Feuerwolke. Sofort stand die Bücherwand in Flammen. Sandys Haare brannten lichterloh, sie taumelte nach vorne, verlor die Besinnung und knallte mit der Stirn auf die Tischplatte. Das Knacken ihres brechenden Genicks konnte man deutlich hören. Manni sprang auf und versuchte sofort, die Flammen in ihren Haaren mit einem Kissen zu ersticken, während die Konsulin zum Tisch rannte. »Ihr verdammten Männerschweine!« Sie hatte plötzlich die Lignose in der Hand und schoss mit hassverzerrtem Gesicht abwechselnd auf Jens und mich. Während ich mich zu Boden warf, hörte ich Maike aufschreien. Eine Armlänge von mir entfernt fiel sie mit blutigem Kopf auf den Teppich, an dessen Fransen bereits die ersten Flammen leckten. Jens hatte sich unterdessen todesmutig auf die Konsulin geworfen und versuchte, ihr die Pistole zu entreißen. Das war jedoch nicht so einfach, da Manni ihr zu Hilfe eilte und nun seinerseits auf Jens einschlug.
Die Flammen griffen mittlerweile von einer Bücherwand zur nächsten über, dicke Qualmwolken zogen durchs Zimmer und erschwerten das Atmen. Während die drei aneinander rissen und zerrten, fing mein Hosenbein Feuer. Ich richtete mich wieder auf, griff nach der Tignanello-Flasche und löschte mit einem Teil des Weines die Flammen. Dann fiel ein weiterer Schuss. Manni griff sich an die Brust und ging dann mit einem erstaunten Gesichtsausdruck in die Hocke, nur um einen Augenblick später nach hinten umzukippen. Die Konsulin und Jens rangen weiter miteinander.
»Hört auf, Leute! Wir müssen hier raus!« Ich rannte zur Tür und drehte mich um. Jens hatte inzwischen der Konsulin den Arm mit der Pistole auf den Rücken gedreht und versetzte der alten Vettel einen kräftigen Tritt, der sie mit voller Wucht durch die Gardine und die splitternde Panoramascheibe nach draußen beförderte. Die hereinströmende Luft fachte das Feuer explosionsartig an, und augenblicklich ragte vor mir eine Flammenwand auf, hinter der Jens wie ein lodernder Schatten verschwand. Der Luftdruck schob mich in den Flur und füllte den Raum sofort mit schwarzem Qualm, der mir augenblicklich den Atem nahm. Mit Müh und Not erreichte ich die Küche und gelangte von dort in den ehemaligen Personalaufgang. Erschöpft setzte ich mich auf die Stufen, verlor aber kurz darauf für einige Minuten das Bewusstsein.
Als ich wieder zu mir kam, zogen in dem engen Treppenhaus bereits Rauchschwaden nach oben. Ich lief die Treppe hinunter und taumelte endlich durch den Dienstboteneingang aus dem Haus.
Die Güntherstraße war in ein gespenstisches Licht gehüllt. Die Signalleuchten von Feuerwehr, Krankenwagen und Polizeifahrzeugen vermengten sich mit dem flackernden Schein unseres brennenden Hauses. Die Löschzüge waren durch die Grundstückshecke in den Vorgarten gefahren, Schläuche lagen herum, und Schaulustige säumten den Fußweg. Feuerwehrmänner eilten an mir vorbei, drangen ins Haus. Überall Schreie, Stimmen aus dem Funkverkehr, links von mir, nur notdürftig mit einer Plane bedeckt, lag die Konsulin mit verdrehten Gliedern auf dem nackten Boden. Orientierungslos stolperte ich vorwärts, jemand legte mir eine Decke um die Schulter, redete auf mich ein und zog mich an den Rand. Abwesend reichte ich die Flasche Tignanello, die ich immer noch in der Hand hielt, einem neben mir stehenden Feuerwehrmann, der sie dankend ergriff, die Flasche an den Mund setzte, einen langen und tiefen Schluck nahm und
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