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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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Italiener von einem Franzosen, Spanier oder Südamerikaner zu unterscheiden; für einen Laien wie Roethe jedoch, selbst wenn er mit beachtlichen Kenntnissen über italienische Rotweine glänzen konnte, war das nicht unbedingt ein treffsicheres Unterfangen. Trotzdem behauptete er, auch die italienischen Weinregionen voneinander unterscheiden zu können.
    Roethe nahm noch einen weiteren Schluck. »Ich glaube, ich weiß, woher genau dieser Wein stammt!« In seinen Augen blitzte es kurz auf. »Woll’n wir wetten?«
    Die Konsulin nahm ihr Glas, hievte sich aus dem Ledersofa und zog den geilen Manni hinter sich her. Die beiden ließen sich demonstrativ in der gegenüberliegenden Leseecke des Wohnzimmers in zwei Ohrensesseln nieder.
    »Mein Gott, Leander.« Sandy stürmte empört aus dem Zimmer. »Das kann doch wohl alles nicht wahr sein!« Die Tür knallte ins Schloss, und im Raum herrschte für einige Augenblicke betretenes Schweigen. Maike hatte ihre Schuhe abgestreift, die Beine hochgezogen und es sich auf der Couch bequem gemacht. Gelangweilt betrachtete sie ihre Fingernägel.
    Mein Fisch zappelte vor Ungeduld und konnte den Haken gar nicht tief genug in den Schlund bekommen.
    »Um hundert Euro?« Roethes Stimme zitterte etwas.
    »Nö, Jens, das sind doch Peanuts! Tausend Euro. Hopp oder Top!«
    »Untersteh dich!« Maike warf Jens einen vernichtenden Blick zu. »Wenn du jetzt wettest und verlierst, ziehe ich dir das Geld von deinem Taschengeld ab.«
    Roethes Mimik verhärtete sich, als schöben sich Stahlplatten unter seine Haut. »Okay, tausend Euro! Die Wette gilt!« Nachdem er Maikes Bemerkung durch Nichtbeachtung gestraft hatte, führte er erneut das Glas zum Mund und spülte den Wein über seine Zunge. »Das ist eindeutig ein Chianti.«
    Der nächste Schluck. Ich konnte den Wein in seinem Mund gurgeln hören.
    »Kein Zweifel. Ich spür’s am Terroir, der im Abgang durchschimmert. Der Wein entstammt der Gegend zwischen Montefiridolfi und Santa Maria a Macerata.«
    Er schien doch Ahnung zu haben, das musste ich langsam anerkennen. Gut, dass ich mich dieses Jahr besser vorbereitet hatte.
    Jetzt kostete er den Tropfen mit spitzen Lippen. »Nach der Attaque zu urteilen, müsste dieser Wein einem der Hänge entstammen, die sich zwischen dem Tal des Flüsschens Greve und dem des Pesa, also direkt im Herzen des Chianti, befinden. Es kommen im Grunde nur zwei Weinberge in Frage.«
    Jetzt schwenkte er den Roten im Glase, schnupperte, hielt das Gefäß gegen das Licht des Tannenbaums und leerte es schließlich. »Im Stil ist er warm und weich, fein und zugänglich, dabei perfekt harmonisch und intensiv. Er könnte sowohl dem Tignanello als auch dem Solaia entstammen. Da es sich aber aufgrund der Farbe um einen reinen Sangiovese handeln muss, weil der Weißweinanteil fehlt, tippe ich auf einen Tignanello, I. G. T. vom Weingut Antinori.« Er stellte das Glas zurück auf den Tisch und sah mich herausfordernd an. »Das Jahr kann ich dir allerdings nicht benennen, würdest du aber darauf bestehen, wäre der 2006 er mein Favoritentipp.«
    Das war eine Superleistung, zugegeben! Aber während ich langsam, stumm und genussvoll den Kopf schüttelte, sah ich, wie Roethe alle Farbe aus dem Gesicht wich. »Sorry, mein lieber Jens, aber das ist ein 2005 er Gaja, Barbaresco, D. O. C. G. aus dem Piemont.«
    »Das ist völlig unmöglich!«, schrie er und stand abrupt auf. »Das kann nicht sein!« Roethe kam wutschnaubend auf mich zu. »Wo sind die Flaschen, Leander? Ich will sofort die Flaschen sehen!«
    »Bleib cool, Jens!« Maike versuchte, ihren Mann zu beruhigen, während ich die Tür zum Flur öffnete und ihn bat, mir in die Küche zu folgen.
    »Na, dann viel Spaß, ihr Kindsköpfe!« Maike blieb sitzen. Auch die Konsulin und Manni schienen unsere Wette ignoriert zu haben.
    In der Küche stürzte Jens zum Küchentisch und starrte völlig fassungslos auf die Gaja-Flaschen. Er griff nach einem herumstehenden Wasserglas, füllte es mit Wein und kostete erneut. »Das ist ein Tignanello«, schrie er völlig außer sich, »und kein Gaja! Du hast die Inhalte vertauscht!«
    Ich bestritt das energisch. Doch Jens glaubte mir kein Wort. Mit der Flasche in der Hand stürmte er mit mir im Schlepptau zurück ins Wohnzimmer. Dort stießen wir auf Sandy, die uns völlig genervt anblaffte, welcher Teufel eigentlich in uns gefahren wäre. Als Jens ihr in einem nahezu weinerlichen Ton den Sachverhalt erklärt hatte, wurde ich förmlich von ihren

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