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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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anschließend das Etikett der Flasche studierte. Dann reichte er sie kopfschüttelnd an einen Kollegen weiter. »Hier, probier mal! Erstklassiger Tropfen – hat zwar dieses Bouquet aus Weichselkirschen und Tabak wie ein piemontesischer Barbaresco – ist erstaunlicherweise aber ein Chianti!«
    Sekunden später stürzte das komplette Dach der Jugendstilvilla mit einem Funkenregen in sich zusammen, und ich verlor erneut das Bewusstsein.

Autorenvita
    Richard Birkefeld, geboren 1951 in Hannover, ist Historiker und Politologe. Er veröffentlichte zahlreiche Texte zur Stadtgeschichte und über kulturelle Phänomene der Moderne. Gleich sein erster Roman
Wer übrig bleibt, hat recht
wurde mit dem Deutschen Krimipreis und dem Friedrich-Glauser-Preis für das beste Debüt 2003 ausgezeichnet. Birkefeld lebt als freier Autor in Hannover.

[home]
    Susanne Mischke
    Karlo muss sterben
    Hannover
    Dass das Weihnachtsfest in diesem Jahr außergewöhnlich werden würde, schwante ihnen, nachdem sie Karlos Geschenk ausgepackt hatten: Es war eine Waffe und eine Schachtel mit Munition.
    »Ist der echt, funktioniert der?«, fragte Ludmilla.
    »Klar funktioniert
die.
Es ist eine Pistole, eine Walther P 38 .«
    »Wozu soll die gut sein?«, erkundigte sich Goswin und betrachtete die Pistole interessiert.
    »Ja, was soll das?«, wollte nun auch Renate wissen. »Hast du Schiss, weil sie neulich nebenan eingebrochen sind?«
    »Lasst uns erst mal den Abend genießen, Freunde, dann erkläre ich es euch«, antwortete Karlo und setzte sich mit einer neuen Dostojewski-Ausgabe von
Verbrechen und Strafe
vors knisternde Kaminfeuer. Ludmilla nahm das mit rotem Samt ausgeschlagene Holzkästchen vom festlich gedeckten Tisch und stellte es auf die Anrichte, so vorsichtig, als könnte die Waffe bei der kleinsten Erschütterung von selbst losgehen. Was für eine geschmacklose Idee, eine Waffe zu Weihnachten! Sicher, Karlo war ein Exzentriker, aber das ging zu weit, dachte sie und hängte eine Weihnachtsbaumkugel um, wobei sie etwas von »gottverdammtem Engelshaar« murmelte.
    Goswin legte Bachs Weihnachtsoratorium auf und ging auf die Terrasse, um eine zu rauchen. Karlo hatte ein striktes Rauchverbot im ganzen Haus erlassen – was jedoch nicht galt, wenn er eine seiner Cohibas qualmte.
    Wenig später kredenzte Renate ihre berühmte Ente mit Orangensauce, so wie jedes Jahr zu Heiligabend. Die Vierer- WG bestand seit acht Jahren, und die kleine Wahlverwandtschaft pflegte mittlerweile ihre eigenen Traditionen. Eine davon war, dass man sich an Weihnachten aus vielerlei Gründen nichts schenkte: um der Konsumgesellschaft ein Schnippchen zu schlagen, um mit eingefahrenen Bräuchen zu brechen, aber auch, weil richtiges Schenken schwierig war und alle außer Karlo ohnehin ihr Geld zusammenhalten mussten.
    Karlo hatte die Gründerzeitvilla in Waldhausen, einem der besseren Viertel Hannovers, von seiner Mutter geerbt. Als sich seine Sandkastenfreundin Renate, die aus demselben Vorort stammte wie er, scheiden ließ und nicht wusste, wohin, schlug er ihr vor, in die Villa einzuziehen. »Eine WG  – genau wie früher.« Ihr folgte nur einige Wochen später sein Kumpel Goswin, der mit seiner Handelsvertretung für Autofelle von Jahr zu Jahr weniger verdiente und seine große Wohnung in der List nicht mehr halten konnte. In das letzte freie Zimmer, Karlos ehemaliges Kinderzimmer, zog schließlich Renates Freundin Ludmilla ein, die es mit neunundvierzig Jahren und zehn Kilo Übergewicht aufgegeben hatte, noch einen Ehemann zu finden. Ihr Blumenladen war auch nicht gerade eine Goldgrube, und so nutzte sie die Gelegenheit, für wenig Geld in einer respektablen Umgebung und nicht allein leben zu müssen. Karlo verlangte nicht viel Miete von ihnen, Geld hatte er genug. Er komponierte Filmmusik, schaurige violinenlastige Stücke für
Pilcher
-Schmonzetten,
Das Traumschiff
und Ähnliches. Zum Glück tat er das in einem Studio auf dem Messegelände und nicht im Haus.
    Die drei Zugezogenen wohnten im ersten Stock, Renate hatte das größte Zimmer mit dem Balkon, Ludmilla das kleinste. Für sich selbst hatte Karlo das gesamte Dachgeschoss ausbauen lassen, so dass er quasi über ihren Köpfen thronte. Die Verteilung der Zimmer spiegelte exakt die Hierarchie in der WG wieder. Die unteren Räume, der »Salon« mit der Flügeltür zur Bibliothek mit dem Kamin, das kleine Fernsehzimmer und die Küche bildeten die Gemeinschaftsräume. »Unsere Alters- WG «, hatten sie es damals,

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