Maria, Mord und Mandelplätzchen
von euch.«
»Warum engagierst du dafür nicht einfach einen professionellen Killer?«, schlug Goswin vor.
»Ihr seid quasi meine Familie, ich möchte durch eure Hand aus dieser Welt scheiden. Weiß ich, ob ein Killer zuverlässig arbeitet? Nein. Und womöglich habt ihr dann keine Alibis für die Tatzeit und werdet für einen Mord zur Verantwortung gezogen, den ihr gar nicht begangen habt.«
»Sehr rücksichtsvoll von dir«, bemerkte Goswin. Er verzog seine dünnen Leguanlippen zu einem zynischen Lächeln, und Renate meinte mit vor Zorn bebender Stimme: »Karlo, ich habe so was von genug von deinen sadistischen Psycho-Spielchen!« Sie reagierte stets sensibel auf das Thema Mord und Tod. Ihre beste Freundin Stephanie war Mitte der Siebziger nach einem Discoabend, den sie wegen eines dummen Streits vorzeitig verlassen hatte, erdrosselt in einem Waldstück aufgefunden worden. Die Tat war bis heute nicht aufgeklärt worden.
»Ja, das tust du doch nur, um uns den Heiligen Abend zu verderben!«, pflichtete Ludmilla Renate bei. Drei Jahre lang hatte sie Karlo bearbeiten müssen, um im Esszimmer einen geschmückten Christbaum aufstellen zu dürfen. »Aber nur mit elektrischen Kerzen, wegen der Brandgefahr!«, hatte der sich schließlich erweichen lassen. Seither schmückte Ludmilla den Baum jedes Jahr nach dem neuesten Floristen-Trend, aber stets ruinierte Karlo ihr Kunstwerk, indem er hinterher Unmengen von Engelshaar über die Zweige verteilte. »Das hat meine Mutter auch immer gemacht – wenn schon Tradition, dann richtig«, insistierte Karlo, während sich Renate und Goswin klammheimlich über den haarigen Baum amüsierten.
»Freunde, ich zähle auf euch!« Karlo erhob sich und nahm den Glenmorangie mit hinauf in seine Gemächer, die die anderen nie betreten durften. Auf der Treppe drehte er sich noch einmal um: »Übrigens, ich habe Irina entlassen. Ich konnte es nicht mehr mit ansehen, wie sie die Holzdielen unter Wasser setzte.«
Abgesehen vom Engelshaar hatte es Karlo sonst nicht so mit Haaren. Ludmilla hätte schrecklich gerne einen Hund oder eine Katze gehabt, aber Karlo hatte die Anschaffung eines Tieres stets vehement abgelehnt. »Keine Viecher – höchstens Fische!«, war bei Ludmillas Einzug eine seiner Bedingungen gewesen.
Wenn Karlo tot wäre,
dachte sie nun,
könnte ich mir endlich einen Hund anschaffen, einen Beagle vielleicht, oder einen Labrador.
Zwar mochte auch Goswin keine Hunde, aber mit dem würde sie schon fertig werden.
Und vom Geld der Versicherung könnte ich mir Fett absaugen lassen und einen großen Laden in einer Eins-a-Lage anmieten …
Wenn Karlo nicht mehr da wäre, dürfte man endlich überall im Haus rauchen,
überlegte Goswin, den nach zwei Gläsern vom teuren Schotten die Lust auf eine Zigarette quälte. Er und Renate würden Ludmilla einfach überstimmen. Denn wenn Karlo tot wäre, würden hier endlich einmal demokratische Verhältnisse herrschen. Überhaupt wäre das Leben angenehmer und schöner ohne diesen Despoten, dessen Laune ständig zwischen großzügig-gönnerhaft und kleinkariert-autoritär oszillierte. Außerdem war zu bedenken, was geschehen würde, wenn man ihn nicht umbrächte: Sie hätten auf unbestimmte Zeit einen rasant verblödenden Diktator in der WG . Wer kann das schon wollen? Offenbar nicht einmal Karlo selbst. Ja, Karlo hatte völlig recht, besser ein schneller, sauberer Abgang, als eine lange Qual für alle Beteiligten. Goswin seufzte. Natürlich würde die Umsetzung des Mordplans an ihm hängenbleiben. Renate rastete schon aus, wenn im Fernsehen nur ein Grab gezeigt wurde, und Ludmilla war einfach zu blöd und zu weichherzig für so etwas. Es war ohnehin fraglich, ob die beiden die Nerven haben würden, ein Polizeiverhör durchzustehen. Und das würde nicht ausbleiben, sobald bekannt würde, wer von Karlos Tod profitierte. Das war das Risiko bei der Sache. Andererseits – ohne Risiko kein Gewinn. Und vierhunderttausend Euro … Das Geld brächte die lang ersehnte Wende in sein trübsinniges, von beruflichen und privaten Misserfolgen gekennzeichnetes Leben. Höchste Zeit, dass sich etwas änderte. Goswin war einundsechzig, hatte einen Bauch, eine Glatze und Probleme beim Pissen – aber mit einem Porsche würden ihm die dürren gesträhnten Blondinen, die mit ihren Proseccogläsern und Reitstiefeln samstags in der Markthalle standen, endlich Beachtung schenken. Ja, ein Porsche zog noch immer bei den Weibern, das hat er oft genug
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