Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte
Sachsen zu kommunizieren. Die Behörden schalteten sich kurz, tauschten Daten und Meinungen aus, und eines Tages stand eine lächelnde Dame vor Miriams Tür. Jugendamt München. Vorladung.
Die erste Vorladung wurde zur Zumutung. Man ging mit Miriam um, als hätte sie ein Verbrechen begangen, weil sie unerlaubterweise die beiden Kinder von Dresden zurück nach München gebracht hatte. Und warum hatte Miriam inzwischen ihren Assistentinnenjob an der Dresdner Hochschule gekündigt? Befand sie sich in Therapie? Auch das Zerbrechen von Miriams langjähriger Partnerschaft in Dresden war aktenkundig. Trotzdem konnte Miriam diese erste Runde Behörde noch abfedern und sogar in gewisser Weise für die Kinder nutzen. Das endlich an sie ausbezahlte Kindergeld sowie eine Waisenrente glichen den dreimonatigen Mietrückstand und andere angefallene Kosten aus, und endlich ging auch das Telefon in der Wohnung wieder. Die Schwangerschaft hatte Miriam zu diesem Zeitpunkt immer noch erfolgreich verdrängt. Es war Mai geworden. Die Schwimmbäder in München hatten geöffnet. Miriam wollte gar keine Störung durch eine sich ungeplant einnistende befruchtete Eizelle, sondern Ruhe und Frieden. Eine Zeit lang, bis der schlimmste Schreck verarbeitet war, wollte sie einfach nur mit den Kindern Freude haben. Es war wesentlich für Bene und Anna-Sophie, langsam herauszuwachsen aus dem Schreck, hinein in ein neues Leben mit kleinen Schritten. Jeder Tag für sich. Schwimmen, Radfahren, Erdbeerkuchen backen, eine schöne Gutenachtgeschichte und ein erstes zögerndes Lachen. Das war Miriams Plan, und da lag ihr Fokus. Doch dann hatte Miriam eines Tages gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Ihre BHs passten nicht mehr, und ihr Geruchssinn fing an, verrückt zu spielen. Ein Test aus der Apotheke bestätigte den Albtraum der ungeplanten Schwangerschaft mit neununddreißig! Sie war bereits in der zwölften Woche, und wieder brach Panik aus. In der folgenden Woche hetzte Miriam von Beratungsstelle zu Beratungsstelle, weil sie ihren Verstand und ihren Bauch nicht in Einklang bringen konnte. Freudenfeuer im Bauch, aber Eisschauer im Kopf, aus denen schließlich fiese Eiszapfen wurden, mit denen Miriams Kopf ihren Bauch gezielt beschoss. Sie kam nicht klar.
Miriams haltloses Sprechen bei langjährigen Münchner Freunden ihrer Schwester über die angebliche Nähe, die Miriam zu dem Ungeborenen fühlte, weil das wachsende Baby sie an ihre tote Schwester erinnerte, stieß auf sprachloses Entsetzen. Miriam war augenscheinlich dem Stress nicht gewachsen. Aber war das die ganze Wahrheit? Da waren Miriams Träume und ihre unstillbare Sehnsucht nach einem letzten Gespräch mit Carola. Doch das war auch nicht ihr Grund für ein Baby ohne Vater, sondern es gab da noch etwas anderes. Sie konnte die Idee nicht ertragen, das Kind töten zu müssen. Die Freundinnen ihrer Schwester gelobten immerhin Stillschweigen. Nach Dresden durfte keinesfalls etwas durchsickern, denn der mathematische Erzeuger hatte sich bereits frisch addiert. Seine Kollegin, leidenschaftlich kinderlos, Fächer Physik und Chemie, schlief bereits auf Miriams Seite des teuren Wasserbetts. Der Frühling war auch in Dresden ausgebrochen.
Schweren Herzens ging Miriam erneut zum Münchner Jugendamt. Sie musste die finanzielle Seite zumindest ausloten, weil sie als freiberufliche Künstlerin so gut wie nicht abgesichert war. Vielleicht würden die Bayern Miriam helfen.
Das Gegenteil war der Fall. Aus dem Gesicht der rauchenden Dame mit den blondierten Strähnen, die Bene und Anna-Sophie ihr Geld bewilligt hatte, wich die Farbe. Dann fragte sie nach, ob Miriam dieses Kind behalten wolle. Schon das Wort durchschnitt Miriam wie ein scharfes Messer, denn natürlich wollte Miriam es behalten, so wie auch die beiden, die ihr so am Herzen lagen.
Dieses Gesamtpaket ihrer Traumfamilie, wie Miriam sie in einem zögerlichen Versuch anbietet, ist von der Planung her doch ein wenig sehr dreist für die Nikotin ausdünstende Amtierende, da Miriam dabei auf finanzielle Hilfe vom Staat hofft.
»Das ist Ihr Ernst?«
Miriam will also in München drei Kinder großziehen, und der Staat bezahlt, bis das Kleinste aus dem Gröbsten raus ist und Miriam wieder Arbeit findet? Die Antwort ist ein energisches Kopfschütteln. Und als Miriam sich noch dazu weigert, den Namen des Vaters zu nennen, steht mit einem Mal das noch nicht bewilligte Sorgerecht für Anna-Sophie und Bene mit einem gewaltigen Fragezeichen im Raum. Auch die
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