Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte
einer von euch beiden endlich ein. Also, was bedeutet es jetzt genau mit der Mama und der äh … Miri-Mama, die gar nicht eure Mama ist? Von der hätt’ i jetzt gedacht, dass sie natürlich eure Mama ist!«
Das Schweigen auf der Rückbank dauert länger. Der Cowboy sieht im Rückspiegel, wie Anna-Sophie jetzt heftig ihren Kopf schüttelt. Der Bruder soll lieber nichts sagen. Joe wird langsam ungeduldig.
»Was is jetzt?«
Ein umständliches Räuspern von Bene.
»Wenn wir dir jetzt die Wahrheit sagen, dann musst du uns was versprechen.«
Anna-Sophie unterbricht.
»Schwören, du musst schwören!«
»Und du darfst Miri auf keinen Fall böse sein! Und du musst uns trotzdem nach Hause fahren. Versprichst du es?«
An ihren ernsten Gesichtern erkennt der Cowboy, dass er ohne seinen schönsten Schwur keinerlei Informationen bekommt. Brav hebt er die Hand zum Schwur.
DRITTES KAPITEL
CHRISTROSE
Nach einer knappen Stunde Hecheln und Halten inmitten fröhlicher Paare mit bayerischer Mundart ist Miriam endlich alleine mit der Hebamme. Sie heißt Wanda Kubelick. Ein schöner Name. Eine halbe Stunde bleibt, bis der Cowboy wieder mit den Kindern vor der Tür steht. Diese Zeit ist wertvoll, denn Miriam braucht dringend Hilfe. Die Tatsache, dass sie kurz vor ihrem Geburtstermin die einzige Frau ohne Partner ist, hat die Hebamme bereits angesprochen. Besorgt stellt sie jetzt weitere Fragen. Aber die junge Türkin hatte recht, Geld spielt bei Wanda keine Rolle. Miriam bittet die kleine Frau mit den grauen Haaren, die in einer Art elektrisierter Krause zu Berge stehen, weder ihre Krankenkasse noch ihre Gynäkologin, noch die Polizei zu kontaktieren. Wanda nickt. Dann wird die scharfe Falte über ihrer Nasenwurzel immer tiefer. Was hat Miriam angestellt? Eine Bank überfallen? Zunächst bemüht sich Wanda um einen scherzhaften Ton, aber als Miriam von ihrem zermürbenden Kampf mit den Ämtern erzählt, der bereits ein Dreivierteljahr dauert, ist Wandas Reaktion ein wütendes Schnauben. Genau will sie alle Einzelheiten wissen, weil auch Wanda schon mehr als einmal mit den Ämtern kollidiert ist, vor allem im Zusammenhang mit minderjährigen Müttern. Erleichtert beginnt Miriam, sich das Drama von der Seele zu reden.
Nach dem Tod ihrer Schwester und ihres Schwagers ging es für die Ämter zunächst um die Zuständigkeit. Da Miriam die Kinder nach Dresden mitgenommen hatte, weil sie dort gearbeitet hat, war unklar, ob Bayern oder Sachsen für die beiden Waisen zuständig war. Danach ging es um Miriams Eignung für das offizielle Sorgerecht für ihren Neffen und ihre Nichte. Vielleicht wäre Miriam geeignet, unter Umständen aber auch nicht. Zu bestimmten Bedingungen, von den jeweiligen Ämtern in Bayern und Sachsen unterschiedlich formuliert, käme eine unverheiratete kinderlose Tante, die freiberuflich zudem als Künstlerin arbeitet, infrage. Optimal fanden es weder Bayern noch Sachsen, denn Kinder hätten ein Anrecht auf stabile Verhältnisse. Stabilität bedeutete Mutter und Vater, was relativ schnell Pflegeeltern ins Spiel gebracht hätte. Davon gab es in beiden Bundesländern eine ganze Liste. Miriam wurde damals heiß und kalt. Sie sollte Bene und Anna-Sophie weggeben, weil sie weder verheiratet noch fest angestellt war? Viele Formulare musste Miriam in jener Zeit ausfüllen, was ihr zutiefst zuwider war. Zudem waren Papiertaschentücher und Notenblätter die einzige Form von Zellstoff, die sie seit der Beerdigung ertragen konnte. Mozarts Requiem , aber auch Verdi waren tröstlich. Sonst ging nichts. Es musste aber gehen. Totenscheine, Bankvollmachten, Mietverträge, und schließlich, erst in der zwölften Schwangerschaftswoche, kam noch Miriams Mutterpass dazu. Dieses Zeugnis ihres Lebenswandels war bei Bedarf von Behörden, Ärzten und Ämtern einzusehen, da es keinen Vater gab. Miriam hat sich geweigert, einen anzugeben, war also jetzt die stolze Besitzerin eines öffentlichen Bauches. Aber das kam erst später, als sie mit den Kindern nach München geflohen war. Zunächst regierten bei Miriam, was ihre Zukunft mit Bene und Anna-Sophie anging, Unsicherheit und Drama. Es gab weder ein Testament noch Paten oder weitere Verwandtschaft, die zu Hilfe geeilt wären. In den ersten Wochen hatte Miriams Ex, ein fest angestellter Lehrer für Mathematik und Sport an einem humanistischen Gymnasium, sich in Dresden gewaltig bei den Ämtern aufgespielt. Sein Name stand, da er als Lehrer besonders glaubwürdig war und durch den Tod
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