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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Joens
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spöttischem Blick auf und zieht seine Jeans hoch, um einen Augenblick Zeit zu gewinnen. Es fühlt sich beschissen an, den fruchtbaren Vater zu mimen. In diesem Moment geschieht etwas, das den Verlauf der Geschichte entscheidend verändern wird. Miriam, die den Cowboy bis jetzt in Einzelfragmente zerlegt hat, wagt einen verbotenen Blick. Viele Monate lang hat sie sich diesen Blick verboten, weil sie weiß, in welche Schwierigkeiten er sie bringen kann. Nicht nur die Amazonenkönigin hatte sie gewarnt, sondern zuletzt auch ihre Schwester. Der Mathematiklehrer war der Stein des Anstoßes. Er hatte weder Charme noch Geist und schon gar keine erhabene Seele, sondern ein Nebenfach, das der richtige Köder für Miriam war. Durch den vielen Sport hatte der Mann einen Hintern entwickelt, der etwas auszusagen schien, was Miriam in einem Mann suchte, nämlich Mut und eine seelische Kraft, die auch der ihren entsprach. Doch der Hintern des Mathematiklehrers war eine Falschaussage, was Miriam leider erst feststellte, als sie schon an dem Mann klebte. Dabei hätte sie es wissen können, denn der Gang des Mathematikers war eine einzige Peinlichkeit. Er ging, als ob er sich bei jedem Schritt versichern musste, dass seine Zehen keine Fehler machen, die später etwas kosten könnten. Eine Krämerseele mit einem sehr verlogenen Glutaeus Medius. Jetzt wagt Miriam also einen Blick auf den Hintern des Cowboys.
    Als Miriam sich fünf Minuten später mit ihrem dicken Bauch aus dem wackligen Campingstuhl schält, um die Zirkulation in ihrem eingeschlafenen Fuß in Gang zu bringen, hat sie eine Entscheidung getroffen. Sie wird diesen Mann erobern, weil zu seinem Geruch ein unübersehbar heißer Pluspunkt hinzukommt. Er ist nicht im Mindesten von den endlosen Fahrten in Molly plattgedrückt, sondern sieht im Gegenteil so aus, als würde der Cowboy regelmäßig Gebirge erklimmen.
    Es muss der Raki sein, dessen Wärme Joe in die Brust fließt wie Sommersonne. Er beginnt mit einem Mal, völlig grundlos zu lachen, weil ihm alles so absurd scheint, was ihn noch vor wenigen Momenten gequält hat. Ihre Lüge oder seine Wahrheit? Auf etwas anstoßen, was nicht ihm gehört? Wem gehört schon irgendetwas auf dieser Welt? Der Dönerkönig sieht den Lachenden irritiert an. Hatte er Joe nicht gerade von seinem Kummer mit seinem Sohn erzählt, der sich weigert, zu heiraten und endlich die geschuldeten Enkelkinder zu produzieren, weil sein Sohn nie genug hat, weder genug Geld noch genug Sicherheit? Immer noch lachend klopft Joe dem Mann tröstend auf die Schulter. Inschallah – so Gott will. Frohe Feiertage mit den besten Wünschen fürs neue Jahr! Als Joe bezahlt und dabei ein ungewöhnlich großes Trinkgeld auf die Theke legt, spürt er mit einem Mal ein Gefühl, das er in seinem Inneren nur in einer viele Jahre zurückliegenden Erinnerung findet. In der ersten Dämmerung des Morgens, nachdem er seine Schwedin die ganze Nacht geküsst, aber noch nicht beschlafen hatte, da hatte sich für Joe der Himmel geöffnet. Sie war sich noch nicht sicher gewesen, ob sie Joe wirklich wollte. Todunglücklich hatte er mit dieser Mischung aus Verzweiflung und unfassbarem Glück seine Gitarre runter ans Meer getragen. Er war allein gewesen und hatte in der aufgehenden Sonne ein erbärmlich triviales Liebeslied komponiert. Aber er war glücklich gewesen. Er hatte sich gewaltig und frei gefühlt wie das Meer. Wie ein Ertrinkender, der in letzter Sekunde etwas zum Festhalten findet, greift Joe jetzt nach diesem Gefühl von Sonne, Freiheit und Musik. Er kann es nicht abwarten, all das loszuwerden, was ihn daran hindert. Er wird diese Familie am Bahnhof absetzen und keinen einzigen Gedanken mehr an diese eigenartige Frau mit den schönen grünen Augen verschwenden.
    Beim Verlassen des Dönerladens, unter Händeschütteln und guten gegenseitigen Feiertagswünschen in zwei Sprachen, weiß Miriam bereits Bescheid. Sein Blick hat ihren einen Moment lang gekreuzt, und jetzt ist ihr alles klar. Miriam wird ihre schwersten Geschütze auffahren müssen, um Joes vielversprechendem Hinterteil auch nur einen Millimeter näher zu kommen. Da spürt sie einen heftigen Tritt in ihrem Inneren, den sie kurzerhand als wohlwollende Ermutigung interpretiert.

SECHSTES KAPITEL

    MAMAS UND PAPAS
    Miriam hat es geschafft. Joe ist erneut weich geworden.
    Das Hinabsteigen in den Übungskeller, wo Joe wie jeden Freitag nach der Schicht im Taxi mit seiner Band arbeitet, flucht und viel Bier trinkt,

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