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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Joens
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darunter. Joe verändert seine Position, sodass Anna-Sophie nicht auf sein Herz drückt. Dabei weiß er auf einmal nicht, wohin er seine Hände tun soll. Wo soll er das Mädchen anfassen, um sie anders zu setzen? Überdimensional groß hängen die Hände an Joes Seite herab und wirken grobschlächtig und rot im Vergleich zu Anna-Sophies feinen, hellen Fingern, die jetzt unsicher mit den Fransen von seinem Schal spielen. Sie spürt, wie finster es in Joes Innerstem auf einmal wird. Sein Atem geht schwer, und Anna-Sophie will ihn beruhigen. Vorsichtig lächelt sie ihn an.
    »Gleich kommt etwas zu essen!«
    Ihr wachsendes Unwohlsein versucht sie mit Konversation in den Griff zu bekommen, wie sie das bei Miriam gelernt hat.
    »Hast du den Schal selbst gestrickt?«
    »Wer? Ich?«
    Joe lacht lauter als geplant, während Anna-Sophie nicht die geringste Miene verzieht. Die Frage war kein Witz, sondern ein Geschenk. Aus seiner Dunkelheit will sie ihn befreien und geht ihren Weg unbeirrt fort.
    »Mein Papa kann stricken.«
    »Bei uns in der Familie stricken nur die Frauen.«
    »Hat deine Frau diesen Schal auch gestrickt?«
    Joe antwortet nicht. Ihm ist inzwischen heiß und kalt. Hatte er den Kindern von seiner Ehe erzählt? Er weiß es nicht mehr. Durch seinen Kopf schießen allerlei merkwürdige Gedankengebilde, von denen auch nicht ein einziges in dieser Situation brauchbar ist. Er sieht einen kleinen Babysocken, hellblau mit weißem Band, auf dem Hof seiner Eltern liegen. Er sieht sich selber, wie er den einzelnen Socken aufhebt und zu den anderen Babysachen ins Feuer wirft, blind vor Tränen und Zorn. Um das Bild abzuschütteln, räuspert Joe sich lange und ausgiebig. Dann setzt er sein charmantes Musikerlächeln mit den Grübchen ein. Das kommt bei allen weiblichen Wesen dieser Welt an. Um nicht länger an seine ungute Vergangenheit zu denken, beginnt er ein Gespräch.
    »Na gut. Einige Männer bei uns können vielleicht auch stricken. Aber ich mochte immer das Werken lieber. Schnitzen, Hämmern und Seifenkisten bauen. Ich mein, schau ich wie ein Mann aus, der einen Schal stricken kann?«
    Sein Selbstvertrauen ist zurück. Das Blinzeln im Blick baut eine Brücke, über die das kleine Mädchen gerne geht. Sie schenkt ihm ein vorsichtiges Lächeln, legt ihren Kopf schief und überlegt.
    »Wie sehen denn Männer aus, die stricken können?«
    »Na ja, eher wie Frauen, würde ich meinen.«
    Bene springt ein. »Du meinst wie Schwuckeles?«
    Er kann es sich nicht verkneifen, denn er liebt diesen Ausdruck. Miriam muss unwillkürlich über Joes fragenden Blick lachen und beeilt sich zu erklären.
    »Schwuckeles ist ein Begriff aus der Schule. Nicht gerade politisch korrekt, aber auch nicht so ganz übel.«
    Joe versteht. »Ah, die Schwuckeles … natürlich. Die Schwuckeles sind natürlich die wahren Meisterstricker!«
    Joe hat den Film gesehen, aus dem der Ausdruck kommt. Eine Zeit lang spielen Joe und Bene verbales Pingpong über gestrickte Eierwärmer und andere wunderbare frühpubertäre Themen, bis Joe von Anna-Sophies glasklarer Stimme unterbrochen wird.
    »Bist du ein Schwuckele, Joe?«
    »Mann, Anna-Sophie!!«
    Bene stöhnt auf, aber Anna-Sophies Blick bleibt bitterernst. »Was denn? Bist du einer, oder bist du keiner? Wenn du keiner bist, dann hast du ja vielleicht doch eine Frau?«
    Joe sieht sich Hilfe suchend zu Miriam um. Aber Miriam bringt vor mühsam unterdrücktem Lachen kein einziges Wort heraus. Anna-Sophies Blick bohrt sich jetzt eisern in den von Joe.
    »Jetzt sag schon, ja oder nein?«
    Joe schüttelt entsetzt den Kopf.
    »Nein! Meine Mama hat mir diesen Schal gestrickt und zu meinem letzten Geburtstag geschenkt. Zufrieden, Prinzessin?«
    Ein breites Lächeln ist die Antwort. Anna-Sophie ist zufrieden. Sie kuschelt sich mit einem tiefen Seufzer an Joe, während Miriam mit leichtem Spott die Augenbrauen hochzieht. Auch wenn sie es nicht zugeben will, eigentlich hat sie längst ihre innerliche Buchhaltung über diesen Mann begonnen. Sie kann gar nicht anders. In der Spalte Zimtsterne von Mama steht jetzt noch ein handgestrickter Schal, beides nicht unbedingt sexy bei einem Kerl von Mitte vierzig. Wahrscheinlich trägt er ausgeleiertes Feingeripptes, um sein wertvollstes Teil vor lüsternen Frauen zu beschützen. Aber noch weiß Miriam nicht genug. Woher kommt dann der bittere Zug auf der Wange des Cowboys unter dem stoppeligen Fünftagebart? Da ist alter Kummer. Und was ist bloß mit seinen Händen, die nach wie

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