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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Joens
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Die Puppe auf dem Beifahrersitz zeigt ein Auge sowie ein Büschel verfilztes Wollhaar, und ihr halb abgerissener Stoffarm wippt aufmüpfig, als Joe rasant um die letzte Kurve fährt. Tatsächlich, jenseits der bläulichen Schienen steht der Junge. Er hat seine Augen fest zusammengekniffen, um durch das Schneetreiben hindurchzusehen, ob sein Wunsch wirklich in Erfüllung geht.
    Auch Miriam sieht Joes Taxi. Wie ein erstarrter Fels sitzt sie neben der nach Revolution schreienden Leuchtreklame, während ihr Herz im Wettlauf mit ihren Gedanken zu rasen beginnt. Was ist nur mit ihr los? Am Ende denkt dieser Mistkerl jetzt, sie müsste ihm um den Hals fallen, nur weil er Anna-Sophies Puppe bringt. Verzweifelt konzentriert sich Miriam auf die kaputte Reklame. Kein Mensch hat mehr das Geld für luxuriöse Fernreisen mitten im Winter, außer vielleicht ein paar reiche Rentner. Nach Thailand würde sie ohnehin nie wieder fahren. Ausverkauf von Kinderseelen. Da steht Joe mit der Puppe in der Hand vor ihr und lächelt vorsichtig.
    »Hallo!«
    Miriam sagt nichts, sondern nickt nur, um ja nicht zu verraten, wie sehr sie sich darüber freut, dass er an die Puppe gedacht hat. Dafür freut Anna-Sophie sich umso mehr.
    »Danke, danke, danke!!«
    Strahlend nimmt Anna-Sophie ihre Puppe in Empfang. Der Junge sagt nichts. Er geht einfach nur auf Joe zu und umarmt ihn heftig. Joe legt vorsichtig seine Arme um ihn, um den kostbaren Moment nicht zu zerstören. Als Bene fragt, ob sie sich in Molly aufwärmen dürfen, nickt Joe. Er braucht einen Moment alleine mit Miriam. Aber während er sich vergeblich um Augenkontakt mit ihr bemüht, rasen die Gedanken auch in seinem Inneren. Es sind erneut Fluchtgedanken, denn instinktiv weiß Joe, dass er sich an dieser Frau nur wehtun kann.

ACHTES KAPITEL

    SHAMBALA EINS
    Scheinbar unbeteiligt beobachtet Miriam, wie erfreut die beiden Kinder auf Joe reagieren, bevor sie zum Taxi gehen und wie selbstverständlich in Molly einsteigen, während Joe vor ihr stehen bleibt. Wie aus weiter Ferne beobachtet sie, wie Anna-Sophie ihre Puppe an sich drückt. Sie registriert das vorsichtige Lächeln des Jungen, in dem ein Hauch von kindlichem Triumph steckt. Benes fragenden Blick in ihre Richtung erwidert sie nicht. Miriam kann sich nicht über Joes Auftauchen freuen.
    »Taxi zum Bahnhof gefällig?«
    Seine Stimme klingt gequetscht, was Joe immer passiert, wenn er krampfhaft versucht, lockerer rüberzukommen, als er sich fühlt. Miriams starres Schweigen macht ihm Angst, und ihr abweisender Blick bestätigt, was er befürchtet hatte. Der Spalt, durch den er einen winzigen Augenblick lang im Übungsraum ihr Innerstes erahnen durfte, ist jetzt völlig geschlossen. Trotz der beißenden Kälte liegt es ihr fern, sich bei ihm dafür zu bedanken, dass er zurückgekommen ist. Aber könnte sie ihm nicht vielleicht mit einem klitzekleinen Lächeln einen Anflug von Hoffnung auf ein netteres Miteinander versprechen? Er versucht ein Lächeln und eine angedeutete Verbeugung.
    »Ich stehe zur Verfügung!«
    Keine Antwort. Meine Güte, wie klein soll er sich denn noch machen? Sein bemühtes Hochdeutsch klingt gerade wie eine schlechte Fernsehwerbung. Trotzdem versucht er es erneut.
    »Wir wären in knapp fünf Minuten dort. Es gibt heute noch einen letzten Zug nach Dresden, wenn wir uns beeilen …«
    »Ich kann nicht.«
    Allein der Gedanke, erneut in sein Taxi zu steigen, fällt Miriam schwer. Was Miriam sich in diesem Augenblick wünscht, ist ein Ort, an dem sie ganz für sich sein kann. Ihre Nerven liegen blank, und sie wünscht sich Ruhe, nichts als Ruhe.
    »Darf ich hier bitte noch fünf Minuten sitzen? Ich komme bestimmt gleich nach …«
    Nach einem beunruhigten Blick auf Miriams verschränkte Arme und ihre vor Kälte bibbernden Lippen nickt der Cowboy schließlich und lässt sie sitzen. Miriam beobachtet vom Wartehäuschen aus, wie Joe zu den Kindern auf die gegenüberliegende Straßenseite geht, wo Molly steht. Anna-Sophie lässt sich bereitwillig von dem Cowboy auf dem roten Leder von Mollys Rückbank mit einer ebenso roten Decke einmummeln. Bene zieht seine feucht gewordene Jacke aus und bekommt ein trockenes Fleece von Joe. Der Junge winkt zu ihr herüber.
    »Komm, Miri, steig auch ein! Es ist schön warm …«
    Miriam wendet den Kopf ab. Keinesfalls könnte sie dem Cowboy jetzt nahe sein. Sie ist wütend, denn ihre inneren Reserven sind so leer, dass selbst das Sprechen eine Anstrengung bedeuten würde. Stumpf sieht

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