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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Joens
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Dazu hatte Conni nett, aber auch ein wenig traurig gezwinkert. Bene wusste, dass der Keyboardspieler wusste, dass es eine Lüge war. Miriam runzelt beim Anblick des Geldscheins unwillig die Stirn. Statt Freude oder gar ein kleines Lob auszusprechen, reagiert sie unwillig.
    »Ich will nicht, dass du bettelst!«
    »Hab ich nicht. Er hat mir das Geld einfach so gegeben.«
    »Der Cowboy?«
    Miriams brüchige Stimme verrät den Grad ihrer Verletzung. Bene senkt den Kopf. Er will das Leid in ihren Augen nicht mehr sehen. Wenn sie jetzt auch noch anfängt zu heulen, wird er einfach wegrennen. Er wird so lange rennen, bis er an die große U-Bahn-Station kommt, wo die Telefone sind. Und dort wird er die Nummer anrufen, die er von der Frau vom Jugendamt bekommen hat. Miriams Stimme wird schneidend.
    »Ist das Geld vom Cowboy?«
    »Nein. Vom Keyboardspieler.«
    Miriam sieht Bene betont streng an.
    »Es ist nur geliehen! Der Mann bekommt sein Geld zurück!«
    Bene nickt, findet aber seine Tante in diesem Moment unglaublich lächerlich. Trotzdem versucht er ein versöhnliches Lächeln.
    »Klar! Wir schreiben einen Zettel und legen ihn zu den anderen …«
    Wieder Schweigen. Miriam richtet ihren Blick auf den grellgelben Strand mit den Palmen vor einem unglaublich türkisfarbenen Meer. Die Leuchtfläche hat an der Stelle zwischen Strand und Meer einen Schaden, sodass das Inselparadies von einem schwarzen stumpfen Streifen durchteilt wird. Wie mit einem Schwert. Miriam hält es mit einem Mal nicht mehr aus. Zu viel ist in ihr zerbrochen. Sie kann nicht verhindern, dass eine dunkle Kraft ihre Gedanken mit sich zieht, fort von Fahrplänen von Bus und Tram und vor allem weg von den Kindern in ihrer Obhut. Sie muss für eine gewisse Zeit in eine andere Welt entfliehen, die schon seit geraumer Zeit ihr heimliches Zuhause ist. In dieser Welt ist Miriam immer gut aufgehoben, wenn im wirklichen Leben alle Stricke reißen. Auch die Amazonenkönigin hatte in den letzten Wochen ihres Lebens von dieser Welt gesprochen und damit keinen Ort auf dieser Welt gemeint. Miriams Mutter hatte von dem heiligen Land Shambala gesprochen. Hannah war sich sicher gewesen, dass eine göttliche Energie dieses Land erschaffen hatte, um Menschen in Schwierigkeiten einen inneren Zustand des vollkommenen Friedens zu ermöglichen. Carolas Meinung nach war das Morphium, das Hannah in immer höherer Dosierung bekam, Auslöser für Hannahs häufige Reisen nach Shambala. Hannah kam Gott bei ihren Reisen immer näher. Der alte Mann mit Bart, der mit erhobenem Zeigefinger auf menschliche Fehler wartete, um zu bestrafen, war ein kleinlicher Popanz, den Beamten und Lehrern dieser Welt nicht unähnlich, jedoch unendlich weit weg von dem Göttlichen, das Hannah ihren beiden Töchtern kurz vor ihrem Tod vermittelte. Gott war Hannahs verlorenes Zuhause, von dem sie in den letzten Tagen im Hospiz einmal mit solcher Leidenschaft sprach, dass Carola und Miriam meinten, ihre Mutter würde es noch einmal zurück ins Leben schaffen. Vielleicht würde es ihr gelingen, dem dunklen Gesellen von der Schippe zu hüpfen. Wassili bezeichnete den Tod als einen üblen Gesellen, der eine Art Aufräumfunktion hat, wenn ein Körper zurück in seine Einzelteile zerfällt. Wassili duldete Hannahs Vorstellungen von Gott, war aber weit weg von einem Einverständnis. Zu tief hatten die widersprüchlichen Religionen in seiner eigenen Großfamilie in Tiflis gewütet. Zwischen den Muslimen und Wassilis russisch-orthodoxen Familienmitgliedern war es immer wieder zu heftigen Kämpfen gekommen. Wassili selbst hatte die Tochter einer heimatlosen Jüdin geheiratet, denn Hannah hatte ihre beiden Töchter nie taufen lassen. Hannah musste Gott selber erfahren. Wassili wollte von dem Thema Religion gar nichts mehr wissen, neckte aber Hannah stets liebevoll, indem er ihre Suche nach persönlichen religiösen Inhalten als absurde Sammlung volkstümlicher Wunschvorstellungen abtat. Doch als sich Hannahs Suche nach der Wahrheit in ihren letzten Lebenswochen intensivierte, blieb auch ihr Schwiegersohn davon nicht unberührt. Hannah war eine Übriggebliebene. Wie einige jüdische Kinder, die in den letzten Kriegsjahren geboren wurden, überlebte sie mithilfe einer deutschen Christin, die sie als ihr eigenes Kind ausgab, während Hannahs leibliche Eltern sowie einige ihrer Geschwister im KZ verschwanden. Ohne ihre eigenen Wurzeln jemals zu kennen, wurde Hannah in den ersten beiden Jahren von Menschen großgezogen, die

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