Mariana: Roman (German Edition)
herum, und ich stand allein neben der niedrigen, abbröckelnden Mauer, um mich herum zertretene und abgeknickte Blumen.
Dadurch, daß ich direkt über die Felder lief und einen großen Bogen um die Ställe machte, konnte ich zur Westseite von Crofton Hall gelangen, ohne gesehen zu werden, und fand mich schließlich auf einem zerfurchten, wenig benutzten Weg wieder, der in tiefem Schatten lag und sich dicht an der hohen Steinmauer entlangwand. Es war leicht, der Mauerabschnitt zu entdecken, hinter dem sich der Innenhof befand. Er war niedriger als die Wände zu beiden Seiten und nicht von einem Dach bedeckt, und der Efeu war über den oberen Rand hinausgewuchert – ein dichter Vorhang aus grünen Blättern und gewundenen Zweigen, der undurchdringlich und schwer bis zum Boden herunterhing.
Trotz des Efeus fand ich den Eingang schon beim ersten Versuch. Es war eine niedrige, mit der Vorderseite der Mauer abschließende Tür aus verwittertem Eichenholz, das dieselbe graubraune Farbe angenommen hatte wie die Steine. Der verschlungene Efeu riß geräuschvoll auseinander, als ich mit den Händen dazwischenfuhr und nach Griff und Schloß tastete.
Als ich sie ausgemacht hatte, suchte ich in meiner Hosentasche nachdem kleinen Schlüssel und hielt erwartungsvoll den Atem an. Der Schlüssel paßte genau … aber er ließ sich nicht herumdrehen. Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte der Vernachlässigung und der Feuchtigkeit hatten das Schloß Rost ansetzen und unbeweglich werden lassen.
Ich ließ den Efeuvorhang wieder über die Tür fallen, machte meiner Enttäuschung durch einen kleinen Seufzer Luft und ging denselben Weg über die verlassenen Felder zurück. Ich hatte nicht wirklich erwartet, daß sich Schloß und Schlüssel noch bewegen ließen, erinnerte ich mich selbst. Außerdem war mir noch nicht einmal klar, was ich durch das Öffnen der Tür erreicht hätte. Zumindest wußte ich nun, zu welchem Schloß der Schlüssel gehörte und warum er im Taubenschlag gelassen worden war, damit ich ihn finden konnte.
Es war ein komisches Gefühl, aus der Senke zu treten und das verfallene, L-förmige Gemäuer vor sich zu haben, das vom Taubenschlag übriggeblieben war, obwohl ich mit meinem inneren Auge das niedrige, quadratische Gebäude noch dort stehen sah. Das komische Gefühl wurde jedoch von wachsendem Entsetzen abgelöst, je näher ich an den Garten herankam.
Er blühte vielfältiger und farbiger denn je. Der Flachs war in lebhaftes Scharlachrot ausgebrochen, während Feuernelken und Phlox sich mit ihrem Rosa dazwischenschoben und die hohen, spitzen Blätter des Rittersporn sich unter die dahinschwindenden, nickenden Köpfe des Eisenhuts mischten. Selbst der Rosenstock, die wunderschöne, traditionelle Landkletterrose, die Iain an einer Wand gepflanzt hatte, gedieh prächtig und war voll runder, dicker Knospen. Doch die perfekte Schönheit der kleinen Anlage war verdorben worden. Meine eigenen Füße hatten eine Spur durch die Mitte des Gartens getreten, die vom äußersten Rand bis zu einer Wand reichte, und die Blumen dort waren rettungslos zerdrückt und niedergetrampelt.
Vorsichtig stakste ich durch die Reihen der Überlebenden zu der niedrigen Mauer und betrachtete die lange verlassenen Nisthöhlen dort. Die mit der zerbrochenen Sitzstange war noch deutlich zu erkennen, und ich mußte ein wenig lächeln, als ich mit den Fingern über das Eisen strich. Es gab keinen Grund, den Schlüssel noch länger zu behalten. Ich konnte ihn ebensogut wieder dorthin zurücklegen, wo Richard ihn vor so vielen Jahren versteckt hatte. Ich nahm ihn aus der Tasche und ließ ihn wieder an seinen Platz in der Nische gleiten. Das Schaben des Metalls auf dem abgenutzten Stein klang endgültig.
Ich stand immer noch gedankenverloren an dieser Stelle, als Geoff wenige Minuten später um die Ecke des Hauses kam, langsam und vorsichtig, als ob seine Füße schmerzten.
»Noch mehr Schätze gefunden?« fragte er, und ich schüttelte den Kopf und bemühte mich um ein Lächeln.
»Nichts Neues, leider. Wie war dein Besuch bei Iain?«
»Prima. Ich konnte ihn überreden, für eine Weile mit seiner Arbeit aufzuhören«, sagte er, wobei er sich gegen die Mauer lehnte und mich angrinste. Er sah schrecklich fröhlich aus, wenn sein Blick auch etwas unstet war. »Ich habe ihn sogar dazu gebracht, eine Flasche von seinem zwölf Jahre alten Scotch zu öffnen. Wir hatten einen tollen Nachmittag.«
»Das sehe ich«, sagte ich. »Gut, daß du zu
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