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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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philosophisch.
    »Ist nicht deine Schuld«, sprach er mich frei. »Du hast sie ja nicht selbst niedergemäht. So etwas passiert nun mal. Kann ich noch eins haben, Schätzchen?«
    »Sicher. Julia?« Vivien sah mich fragend an, aber ich verneinte mit einer Kopfbewegung. Meine Ruhelosigkeit machte sich wieder bemerkbar, und ich wollte etwas unternehmen.
    »Ich glaube«, sagte ich, »ich werde mal ein paar Minuten bei deiner Tante vorbeischauen. Ob sie noch oben im Herrenhaus ist?«
    Vivien sah auf ihre Armbanduhr. »Um Viertel nach drei? Bestimmt. Selbst wenn Geoff weg ist, arbeitet sie gewöhnlich bis zum Abendessen dort. In dem Haus gibt es dauernd etwas sauberzumachen.«
    »Sollte ich sie vorher anrufen, was meinst du?«
    »Wen, Freda?« Iains Mund verzog sich amüsiert. »Nicht nötig. Sie wird eine Kanne Tee fertig haben, wenn du ankommst, wart’s nur ab.«
    Er hatte recht, wie sich herausstellte. Es war wunderbar, in diese warme, helle Küche zu kommen, wo die Teekanne schon unter ihrem karierten Wärmer auf dem Tisch stand, während der Kessel auf dem Herd noch ein wenig vor sich hinsummte und der süße Duft von unbestimmbarem Backwerk über allem lag.
    »Was für eine schöne Überraschung«, begrüßte mich Alfreda Hutherson, füllte meine Tasse und stellte einen Teller mit warmem Teegebäck auf den Tisch zwischen uns. »Ich habe auf einen Nachmittagsbesuch gehofft.«
    »Mein Besuch hat allerdings einen bestimmten Zweck«, sagte ich und biß in ein weiches, buttertriefendes Stück Gebäck. »Gibt es heute irgendwelche Führungen durch das Haus?«
    »Nein, mittwochs nie.« Sie legte den Kopf schräg und sah mich an, ihre Augen blickten scharfsinnig und wissend. »Du willst eines der Zimmer benutzen.« Es war keine Frage.
    »ja.« Ich nahm meinen Mut zusammen und sah auf. »Ich will wissen, was es war, das Mariana durch das Fenster im Kavalier-Schlafzimmer gesehen hat. All meine Rückblenden sind an einen bestimmten, materiellen Raum gebunden, verstehen Sie, und ich muß genau an dieser Stelle stehen, wenn ich zu dieser Situation zurückkehren will.«
    »Ja, ich weiß. Aber bist du sicher, daß du schon jetzt zu diesem Moment zurückkehren willst? Du hast den Schmerz ja selbst gespürt.«
    Ich schwieg einen Augenblick und erinnerte mich. »Ich muß es wissen«, sagte ich schließlich. »Sie sollten das verstehen. Diese Menschen, sie sind alle so wirklich für mich … ich muß es einfach wissen.«
    »Möchtest du, daß ich mitkomme?«
    »Nein, danke«, antwortete ich hastig und lächelte, um die Schroffheit zu mildern: »Es wäre mir peinlich, wenn mir jemand zusehen würde.«
    »Also gut«, sagte sie und stellte ihre Teetasse auf dem Unterteller ab, »dann geh einfach hinauf, wenn du soweit bist. Ich glaube nicht, daß du dich dort oben verletzen kannst. Soweit ich weiß, stehen die Möbel alle noch an derselben Stelle.«
    »Ich werde es Ihnen hinterher sagen, ob es so ist«, antwortete ich grinsend. Ich würde es bald genug merken, dachte ich, wenn ich versuchte, durch dieses riesige Himmelbett zu laufen. Plötzlich kam mir ein Gedanke, und ich zog die Stirn in Falten. »Diese … Erfahrungen«, sagte ich zögernd, »dauern manchmal mehrere Stunden. Wenn ich noch nicht fertig bin, wenn Sie gehen wollen, dann …«
    »… werde ich die Lichter für dich anlassen und die Türen abschließen. Du weißt doch, wie man den Seitenausgang aufriegelt, oder? Gut. Ich würde dich ungern unterbrechen, wenn du erst einmal angefangen hast. Wenn du den Riegel der Seitentür einfach nach rechts gestellt läßt, schließt sich das Schloß von selbst hinter dir, wenn du gehst.«
    Ich lächelte sie dankbar an. »Vielen Dank. Na denn«, ich gab mir einen Ruck und stand etwas nervös auf, »wünschen Sie mir Glück.«
    Die weitläufigen, widerhallenden Räume des Herrenhauses wirkten höhlenartiger denn je, leer und doch nicht leer. Ich konnte die Nähe unsichtbarer Körper, die sich um mich drängten, spüren, als ich die Treppe hinaufstieg, und Vorahnungen hingen wie Spinnweben von jeder Zimmerdecke herab. Erwartungsvoll und still warteten die Geister von Crofton Hall, sahen mir zu, wie ich mich der Tür des Kavalier-Schlafzimmers näherte.
    Der Raum war viel dunkler ohne den Sonnenschein. Regentropfen jagten einander die Fensterscheiben hinunter und hingen eine Weile am Rahmen, bevor sie auf den Rasen darunter fielen. Der Kirchturm war wenig mehr als ein dunkler, viereckiger Schatten, der sich über dem blasseren Schatten

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