Mariana: Roman (German Edition)
da«, warnte er. »Der Grabstein, meine ich. Er könnte kaputtgegangen sein oder jemand könnte ihn in späteren Jahren ausgegraben und weggeworfen haben, so frevlerisch das auch klingt. Oder er könnte tiefer als achtzehn Zentimeter unter dem Erdreich liegen.« Er warf einen Blick auf mein Gesicht und grinste. »Aber du wirst mich hier nicht weglassen, bevor ich das verdammte Ding gefunden habe, stimmt’s?«
Meine Augen flehten ihn an, die Sache ernst zu nehmen. »Es ist wichtig.«
»Na dann«, sagte er, »sollte ich ihn wohl besser finden, nicht?«
Er hackte energisch auf den Erdboden neben seinem Knie ein, wobei er einen Regen von winzigen Wildblumen aufwarf, der sich im Wind verstreute, und plötzlich hörten wir beide ein scharfes, klingendes Geräusch, als der Eispickel auf Stein stieß.
Eine volle Minute lang sagte keiner von uns beiden etwas, doch dann kniete ich neben ihm, und wir gruben mit Pickel und Händen und Spatel und rissen das Erdreich fort, um den glatten, weißen Stein darunter freizulegen. Als Geoff sich vorstreckte, um die klebrige Erde von der abgenutzten Inschrift zu entfernen, waren seine Hände nicht ganz ruhig.
»Louise de Mornay«, las er den Namen laut vor. Er wischte noch einmal über die Oberfläche, hockte sich auf die Fersen und sah mir direkt in die Augen. »Mein Gott«, sagte er.
»Ich weiß. Willkommen im Club.« Ich strich mir die Haare aus den Augen. »Stell dir vor, wie ich mich fühle.«
Er blinzelte einen Moment lang in die Sonne, rieb sich dann die dreckbeschmierten Finger an den Jeans ab und stand langsam auf. »Wie wär’s, wenn wir ein kleines Päuschen machten?« Seine Stimme klang gezwungen munter. »Wir könnten eine Kleinigkeit zu Mittag essen. Das würde mir Zeit geben, das alles zu verarbeiten.«
»Einverstanden.«
Zurück im Westkorridor, ging ich automatisch auf die Küche zu, aber Geoff hielt mich am Ellbogen fest.
»Nicht hier«, sagte er. »Ich würde lieber für ein Stündchen oder so von hier weggehen, wenn du nichts dagegen hast. Laß uns in den Löwen gehen.«
Es war nur ein kurzer Spaziergang, und ein schweigsamer. Ich war so mit meinen Gedanken beschäftigt, daß ich beinahe an meinem eigenen Bruder vorbeigegangen wäre, der auf einem der Barhocker saß, wenn Vivien mich nicht angesprochen hätte.
»Sieh mal, wer da ist!« waren ihre Worte. »Er hat oben im Haus niemanden angetroffen, also ist er hergekommen, um uns Gesellschaft zu leisten.«
»Ich habe mir gedacht, daß du früher oder später hier auftauchen wirst«, sagte Tom. Sein Kuß roch nach Scotch, und als wir uns wieder voneinander lösten, warf ich Iain, der einen Barhocker weiter an seinem üblichen Platz am Tresen saß, einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Hast du meinen Bruder betrunken gemacht?« fragte ich ihn.
»Hab Erbarmen«, entgegnete er mit einem trägen Zwinkern. »Ich versuche verzweifelt, mit ihm mitzuhalten.«
»Hmm. Wieder ein freier Tag?« fragte ich Tom, und er lächelte.
»Ja. Sind Hilfspfarrer nicht eine wunderbare Einrichtung?« Sein Blick wanderte zu meinem Begleiter. »Geoff, nicht wahr?« sagte er und streckte seine Hand zur Begrüßung aus. »Schön, dich wiederzusehen. Kann ich dir einen Drink ausgeben?«
Das sah meinem Bruder ähnlich, dachte ich voll Wärme, in seine eigenen schmalen Taschen zu greifen, um einem Millionär ein Bier zu spendieren. Geoff nahm das Angebot freundlich an, und bald hatten wir es uns alle vier in einer Reihe am Tresen gemütlich gemacht, und Vivien lehnte sich uns gegenüber auf ihre Ellbogen. Iain hob sein Glas und stieß Tom an.
»Was hast du doch gerade über Morrisey gesagt?« fragte er meinen Bruder.
»Daß er Conner nicht das Wasser reichen kann.«
Geoff sah Vivien fragend an, woraufhin sie die Augen in unsere Richtung verdrehte. »Das Schachspiel«, erklärte sie, »es ist wirklich nicht zu glauben. Wir sind in der vergangenen Stunde die ganze Bandbreite von Gesprächsthemen durchgegangen.«
Tom achtete nicht darauf. »Ned«, rief er zum Ende der Bar hin, »was steht dort über Morriseys Chancen drin?«
Ned blätterte eine Seite seiner Zeitung um und antwortete, ohne den Kopf zu heben. »Soviel Chancen wie ein Schneeball in der Hölle«, lautete seine Zusammenfassung, und Tom machte ein triumphierendes Gesicht.
»Siehst du?«
»Du hast ja keine Ahnung«, entgegnete Iain kopfschüttelnd. »Schließlich ist Morrisey Schotte.«
»Eben.« Mein Bruder grinste in sein Bierglas, während ein hinterhältiger Ausdruck
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