Mariana: Roman (German Edition)
nicht des Landwirts. Doch in diesem Moment öffnete er ein Auge halb und sah uns an, und der Eindruck verflüchtigte sich. »Ich schlafe nicht«, sagte er. »Ich ruhe nur meine Augen aus.«
»Du solltest doch meinen Abfluß reparieren, soweit ich mich erinnere.«
»Jawohl, gnädige Frau. Sofort, gnädige Frau.« Er grinste und das eine graue Auge glitt von Vivien zu mir. »Lieber Himmel, man könnte meinen, ich würde für den Job bezahlt.«
»Ich wußte nicht, daß du auch Klempner bist, Iain«, sagte ich.
»Bin ich auch nicht, aber ich kann das Nötigste.« Er setzte sich auf und rieb sich den Nacken. »Viv hat gestern den Fehler begangen, ihr undichtes Rohr in der Bar zu erwähnen, und Neds Vater hat sich gleich erboten, es für sie zu reparieren. Also hat Viv mich voll Panik herbestellt, um das Problem zu erledigen, bevor er dazu kommt.«
»Wenn es etwas gibt, das man vermeiden will«, warf Vivien ein, »dann ist es, Jerry Walsh an den Abflußrohren herumbasteln zu lassen.«
Ich lachte. »Ich weiß. Ich habe einen Hahn im Bad, der ungefähr seit dreißig Jahren tropft.«
»Da hast du noch Glück«, gab sie zurück. »Er hat meine Küche unter Wasser gesetzt, als ich ihn das erste Mal für eine Arbeit bestellte. Es ist jedenfalls sicherer, einen Amateur ans Werk zu lassen.«
»Oh, vielen Dank«, bemerkte Iain trocken und schwang sich auf seine Füße. »Dein Vertrauen ist wirklich rührend.«
»Du weißt, wie ich es meine.«
»Ja. Hast du etwas dagegen, wenn ich mir ein Bier nehme, bevor ich deine Abflußrohre demoliere? Oder ist Trinken bei der Arbeit nicht erlaubt?«
»Bedien dich.« Sie trat beiseite, um ihn zum Kühlschrank durchzulassen. Als das Tageslicht ungehindert auf sein Gesicht schien, waren die Linien der Erschöpfung deutlich sichtbar, und Vivien sprach ihn darauf an. »Du solltest dir wirklich mehr Schlaf gönnen, weißt du.«
Er bedachte sie mit einem Blick stiller Amüsiertheit. »Daran hättest du früher denken können, Schätzchen, bevor du mich aufgeweckt hast. Was habt ihr beide überhaupt vor?«
»Julia wird mir helfen, meine Garderobe für heute abend auszusuchen.«
Iain zuckte die Achseln: »Ich habe dir ja schon gesagt, welches Kleid ich am liebsten mag«, sagte er, während er die Kühlschranktür schloß und eine Flasche Bier öffnete. »Das Grüne mit den Knöpfen.«
»Ich möchte gern noch die Meinung einer Expertin hören.«
Eine halbe Stunde später, nachdem ich alle in Frage kommenden Kleidungsstücke gesehen hatte, mußte ich zugeben, daß Iain völlig recht hatte.
»Das Grüne«, entschied ich, »unbedingt. Es ist toll geschnitten und steht dir ausgezeichnet.«
»Ist es auch passend für eine etwas spießige Zusammenkunft von recht wohlhabenden und distinguierten Leuten?«
»Ich glaube schon. Wohin willst du denn nun eigentlich?«
»Nach London«, ließ sie verlauten und drehte sich, um ihr Bild in dem länglichen Spiegel zu betrachten. »Ich bin zu einer Dinnerparty in Belgravia eingeladen.«
»Mit Iain?«
»Um Himmels willen, nein. Iain kann London nicht ausstehen.« Sie beäugte kritisch die Saumlinie des Kleides: »Du findest nicht, daß es zu kurz ist? Nein? Na gut, ich denke, wenn ihr beide spontan für dieses stimmt, sollte ich euren Rat befolgen und es auch tragen.« Sie sah auf die Uhr und zog eine Grimasse. »Mein Gott, so spät schon? Ich habe Ned versprochen, daß er noch eine Pause machen kann, bevor ich gehe.«
Persönlich hatte ich noch nie erlebt, daß Ned sich genug verausgabte, um eine Pause zu brauchen, aber ich behielt meine Meinung für mich. Vivien streifte ihre hochhackigen Schuhe ab, schlüpfte schnell wieder in ihre Alltagssachen und fuhr sich mit den Fingern ordnend durch die Haare.
»Ich bleibe nicht lange weg«, sagte sie. »Du kannst mit in die Bar kommen, wenn du möchtest, oder auch hierbleiben.«
»Ich werde hier warten. Es sollte sowieso jemand ein Auge auf deinen Klempner haben.«
Sie lächelte. »Da hast du allerdings recht. Ruf mich, wenn dir das Wasser bis zu den Knien steht.«
Iain machte seine Sache jedoch, soweit ich das beurteilen konnte, sehr gut und fachmännisch. Ich hockte mich auf den Rand der Badewanne und sah ihm bei der Arbeit zu. Wie immer umfloß mich die beruhigende Ausstrahlung seines Wesens wie eine reinigende Flutwelle. Vivien, entschied ich, war eine sehr glückliche Frau.
»Wir haben uns für das grüne Kleid entschieden«, teilte ich ihm mit.
»Na, also« sagte er lächelnd, »das war ja
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