Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
Vom Netzwerk:
anzubeißen. »Möchtest du noch eine Tasse?«
    »Nein, danke.« Ich legte eine Hand auf meinen Magen. »Ich habe schon viel zuviel getrunken.«
    »Hast du Geoff schon davon erzählt?«
    »Nein. Ich habe ihn nur einen Augenblick gesehen, kurz vor Mittag, als er sich auf seinen Ausritt machte. Er erinnert sich immer noch an nichts. Was Richard betrifft, meine ich.«
    Es war eine unnötige Ergänzung von mir, aber sie nickte trotzdem. »Ich weiß.«
    »Wird er sich je erinnern?«
    »Nimm noch einen Keks.« Sie reichte mir den Teller.
    »Sie werden mir keine Antwort geben, stimmt’s? Gut, dann versuchen wir es andersherum. Gibt es etwas, was ich sagen oder tun kann, das Geoff helfen könnte, sich zu erinnern?«
    »Gar nichts.« Sie schüttelte mit majestätischer Bestimmtheit ihren Kopf. »Du kannst den Lauf des Schicksals nicht beschleunigen, Julia.«
    Mein Lächeln war gezwungen. »Es kann nichts schaden, es zu versuchen.«
    »Im Gegenteil, du kannst sogar sehr viel Schaden anrichten.« Sie neigte ihren Kopf zur Seite und sah mich prüfend an. »Darf ich dir einen Vorschlag machen?«
    »Natürlich.«
    »Du sagtest, daß du deine Erfahrungen nicht immer kontrollieren kannst. Daß du manchmal zurückgehst, ohne es zu wollen.«
    »Das stimmt.«
    »Dann würde ich es für klug halten, wenn du dein Haus für die nächsten Tage verlassen und ein wenig Urlaub machen würdest. Nicht, daß du in Gefahr bist, das nicht, aber Marianas Onkel war ein brutaler Mann, und Rachels Flucht verbesserte seine Stimmung nicht gerade. Es könnte schmerzhaft – körperlich schmerzhaft – für dich werden, wenn du zum jetzigen Zeitpunkt Episoden wiedererleben würdest. Verstehst du?«
    Ich dachte an Carolines Blutergüsse und ihre hohlen, resignierten Augen. »Ja«, sagte ich, »ich glaube, ich verstehe.«
    »Du brauchst nicht lange wegzubleiben. Vielleicht bis Donnerstag. Bis dahin sollte sich der Sturm gelegt haben. Jabez Howards Wutanfälle hielten nie lange vor.«
    Ich sah sie neugierig an. »Sie scheinen sehr viel über ihn zu wissen.«
    »Kein Wunder«, antwortete sie und blickte mir ruhig in die Augen. »Jabez Howard war mein –«
    Plötzlich wurde die Außentür aufgerissen, und Vivien steckte ihren Kopf zur Küche herein. »Tut mir leid, wenn ich störe«, sagte sie und klang überhaupt nicht entschuldigend, »aber ich habe dich schon überall gesucht, Julia. Ich brauche unbedingt deinen Rat darüber, was ich heute abend anziehen soll.«
    Alfreda Hutherson lächelte ihre Nichte nachsichtig an. »Was steht denn heute abend auf dem Programm?«
    »Mach du dir darüber mal keine Gedanken«, entgegnete Vivien grinsend. »Ich muß mir nur Julia für ein paar Minuten ausleihen, sonst nichts.«
    »Und an meiner Meinung ist dir nicht gelegen?«
    »Nein, danke«, Viviens Grinsen wurde breiter. »Ich kenne deine Garderobe. Außerdem ist Julia Künstlerin. Sie hat ein Auge für Farben und Linien und solche Dinge.« Sie sah mich hoffnungsvoll an. »Hast du einen Moment Zeit, oder habe ich euch tatsächlich bei etwas Wichtigem unterbrochen?«
    »Bei nichts, das nicht warten könnte«, antwortete Mrs. Hutherson für mich und winkte ab. »Du gehst besser mit ihr, Julia. Wir können es nicht zulassen, daß Vivien in unmodernen Sachen herumläuft oder ihr Kleid sich mit dem Tischzeug beißt. Und laß sie nichts Schwarzes tragen, das macht sie zu blaß.«
    »Ich habe überhaupt nichts Schwarzes«, vertraute mir Vivien an, als wir uns auf dem Pfad hinter dem Haus zum Roten Löwen begaben. »Nicht mehr. Manchmal höre ich nämlich auf meine Tante Freda, weißt du.« Lächelnd stieß sie die Pforte auf, die zu ihrer Wohnung auf der Rückseite des Pub führte.
    Drinnen warf Vivien ihre Schlüssel auf die Küchentheke und schüttelte den Kopf. »Jetzt sieh dir das einmal an«, sagte sie mit einer ausladenden Handbewegung. Ich folgte ihrem Blick. Iain lag lang ausgestreckt auf dem Teppich in ihrem Wohnzimmer, einen Arm unter den Kopf gelegt, die Fußknöchel gekreuzt und die Augen geschlossen. »Das ist das Problem mit den Handwerkern heutzutage«, sagte sie amüsiert zu mir. »Du kehrst ihnen nur eine halbe Minute den Rücken, und schon schlafen sie dir bei der Arbeit ein.«
    Er sah ganz anders aus im Schlaf. Die starken, unbeweglichen Linien und Kanten seines Gesichts waren verschwunden und mit ihnen der Ausdruck stoischer Selbstbeherrschung. Er sah irgendwie jünger aus. Das war das Gesicht des Träumers, sagte ich mir, das Gesicht des Dichters und

Weitere Kostenlose Bücher