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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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Verstand verloren, Caroline. Es ist zu gefährlich, auf seine Rückkehr zu warten. Wir müssen Hilfe suchen.«
    Die hohlen Augen starrten durch mich hindurch und ließen keine Reaktion erkennen.
    »Warte hier auf mich«, sagte ich zu ihr, »ich bin gleich wieder da.« Ich wartete nicht ab, ob sie meine Anweisung verstanden hatte, sondern riß meinen Umhang von dem Nagel bei der Hintertür, schlug den Riegel zurück und stolperte hinaus in die Nacht.
    Der Taubenschlag war innen dunkel wie ein Grab, und das Gurren der Tauben gab eine merkwürdige Begleitung zu dem wilden Pochen meines Herzens ab. Die Falltür war geschlossen. Ich zog an der Leine, um sie zu öffnen, dankbar für die hereinwehende Brise reiner Nachtluft und den unwirklichen Strahl Mondlichts, der die belebte Dunkelheit durchdrang und genug Licht spendete, daß ich die Wände um mich herum schemenhaft erkennen konnte.
    Ich tastete mich an einer Wand entlang und schluchzte beinahe auf vor Erleichterung, als meine Finger die zerbrochene Sitzstange der Nisthöhle ertasteten. Wenn es einen Götz gab, dachte ich wie im Fieber, dann mußte der Schlüssel noch da sein. Der Schlüssel, den Richard vor zwei Monaten für mich dort hineingelegt hatte. Der Schlüssel, der mir Zugang zum Innenhof des Herrenhauses verschaffen würde. Dort würden wir in Sicherheit sein, das wußte .ich – zumindest Caroline, dafür würden Richards Bedienstete sorgen. Für mich selbst konnte es keine Zuflucht geben, bis Richard keine Gefahr mehr von meinem Onkel drohte.
    Ich habe das Blut des Teufels gesehen , hatte mein Onkel gesagt, und die Worte rannen wie Eis durch meine Adern. War Richard demnach verwundet? Nein, natürlich nicht, redete ich mir fest zu. Wäre er verwundet, hätte mein Onkel dies sicher hämisch erwähnt. Vielleicht war Richard den ganzen Weg nach Oxford mit dem König geritten. Oh bitte, flehte ich, laß ihn so vernünftig sein und beim König bleiben. Laß ihn heute nacht nicht zurückkehren …
    Meine Knöchel wurden an dem rauhen Stein aufgeschabt, als ich mit den Fingern nach dem Schlüssel tastete, doch ich zog ihn eilig heraus und rannte durch den Hof zum Haus zurück.
    Caroline saß steif auf einem Stuhl und wartete auf mich, ihren Umhang ordentlich um die Schultern gelegt. Mit bedächtigen Händen wickelte sie einen Schal um das tote Baby in ihrem Schoß. »Er könnte sich erkälten«, erklärte sie leise, als fürchte sie, ihn zu wecken.
    Mein Herz zog sich schmerzlich in meiner Brust zusammen, aber ich widersprach ihr nicht. Es war jetzt nicht die Zeit, ihr ihre Illusion zu rauben. »Dann komm«, forderte ich sie auf, und gemeinsam verließen wir das düstere Haus und schlossen die Tür hinter uns.
    Caroline fragte nicht ein einziges Mal, wohin ich sie brachte, noch zeigte sie das leiseste Interesse an ihrer Umgebung. Sie folgte mir blindlings und schweigend, das tote Kind fest gegen ihre Brust gedrückt. Die Nacht war kühl und wolkenlos und breitete sich hell unter dem blassen, schimmernden Mond aus. Es war eine von den Nächten, die gejagte Wesen fürchten, eine Nacht, in der der eigene Schatten einen über die Felder jagt und noch nicht einmal der Wald Schutz vor den wartenden, beobachtenden Augen bietet.
    Wir liefen eilig durch die Bäume auf das Herrenhaus zu und umgingen die Kirche und die Ställe in einem großen Bogen, um uns dem Haus von der Westseite her zu nähern. Am Rande des Stallhofs huschte ein anderer Schatten an uns vorbei, und ich schnappte vor Schreck nach Luft, bis ich sah, was es war – nur ein herumstreifender, verschüchterter Hund mit eingezogenem Schwanz. Ich bildete mir ein, noch ein anderes, plötzliches Atemholen außer meinem eigenen gehört zu haben, aber Caroline hatte keinen Laut von sich gegeben, so daß ich den Eindruck meiner überreizten Phantasie und dem Echo des Windes zuschrieb.
    Es war nicht schwer, die niedrige, in die Mauer zum Innenhof eingelassene Tür zu finden, aber meine zitternden Finger ließen mich dreimal das Schloß verfehlen, bevor es mir gelang, den Schlüssel hineinzustecken. Als dies geschehen war, ließ er sich leicht herumdrehen, und sobald die Tür an ihren geölten Angeln nach innen aufschwang, drängte ich Caroline vor mir hindurch und schloß hastig wieder hinter uns ab. Ich drückte Caroline gegen die Wand, wo der Schatten am tiefsten war, hob einen Finger an meine Lippen und warnte sie, nicht zu sprechen.
    »Warte hier«, flüsterte ich. Sie umklammerte ihr Baby und nickte

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