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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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Jahre verweilt. Bis zu dem Moment meiner Geburt. Es war ein passender Ort, fand ich, um alles zu Ende zu bringen.
    Ich stellte mich breitbeinig hin, ballte die Fäuste und hob mein Gesicht mit fest geschlossenen Augen der Sonne entgegen. Der leichte Wind fuhr mir durch die Haare, während ich wartete und alle Gedanken außer dem einen aus meinem Bewußtsein vertrieb …
    Diesmal gab es kein Schwindelgefühl, auch kein Geräusch. Die Zeit strömte zügig in die Vergangenheit, wie ein Fluß ins Meer strömt, und zog mich mit in ihrem unablässigen, goldenen Sog.
    »Mariana.«
    Ich öffnete die Augen, drehte mich um und sah mich dem Jungen gegenüber, der über den Hof auf mich zukam. Er war ein hochgewachsener junger Mann, groß und breitschultrig und stark, mit hellblondem Haar und Augen so blau wie der Herbsthimmel.
    Ich hatte oft nach seinem Vater in ihm gesucht und gehofft, einen Teil von Richard in ihm bewahrt zu finden, aber Richard war nicht da. Was für John nur gut war, sagte mir die Vernunft. Niemand hatte in ihm je etwas anderes gesehen als Jabez Howards rechtmäßigen Sohn, und niemand würde etwas anderes in ihm sehen, solange ich Atem hatte, es zu leugnen.
    »Cousine«, rief er mir zu und blieb in ein paar Metern Entfernung stehen. »Es ist getan. Ich habe sie nicht zu fest verschlossen – wenn du deine Meinung änderst, kann ich es wieder rückgängig machen.«
    Ich lächelte ihn an, aber mit entschlossenem Gesichtsausdruck. »Ich werde meine Meinung nicht ändern.«
    »Es scheint mir eine schreckliche Verschwendung«, sagte er mit einem Zucken seiner breiten Schultern, »aber du mußt tun, was dir richtig erscheint.«
    Mein Lächeln blieb, als mein Blick von ihm zu dem verlassenen Taubenschlag wanderte. Die Vögel waren just an diesem Morgen von Dienern Sir George Staynors, des neuen Herrn von Crofton Hall und all der dazugehörigen Ländereien, in Säcken fortgebracht worden. Sir George war ein Armeeangehöriger im Ruhestand und hatte seinen neuen Landsitz mit der Energie eines Feldherrn übernommen, in der Absicht, das edle Gut, das Arthur de Mornay hatte herunterkommen lassen, wieder zu Wohlstand zu führen.
    Nachdem er den alten Taubenschlag für in schlechtem Zustand befindlich und unbequem gelegen erklärt hatte, hatte Sir George den Bau eines neuen und größeren Taubenhauses nahe beim Herrensitz angeordnet, dazu einen Fischteich und ein Kaninchengehege anlegen lassen und fünf Männer geschickt, die die Tauben holen sollten. Es tat mir nicht leid zu sehen, wie sie weggetragen wurden. Als das letzte Täubchen gepackt worden war, hatte ich John aufgetragen, die Falltür zuzunageln.
    Vielleicht, überlegte ich, würden die Tauben das neue Taubenhaus nicht annehmen und nicht darin nisten. Und wenn sie versuchten, zu ihren alten Nestern zurückzukehren, und den Zugang versperrt fanden, würden sie vielleicht die Freiheit vorziehen. Vielleicht. Jedenfalls wollte ich sie nicht wiederhaben, nicht in Erwartung des Todes gefangen in meinem Hinterhof. Die Falle würde nicht mehr funktionieren.
    Nur noch ein Gegenstand war in den dämmrigen und staubigen Nisthöhlen zurückgeblieben, ein einzelner Schlüssel, den meine eigene Hand dort hineingelegt hatte. Ansonsten waren sie still, tot und leer.
    John kam über das Wiesenstück herbei und stellte sich neben mich, woraufhin er mit ernstem, kritischem Blick in mein Gesicht blickte. »Du hast letzte Nacht nicht geschlafen«, sagte er. »Ich habe geträumt.«
    »Es waren Wachträume, glaube ich«, beschuldigte er mich sanft. »Ich habe deine Schritte auf den Dielen gehört. Meine Mutter hatte auch solche Träume, als sie noch lebte, aber sie war auch eine nervöse Frau.«
    »Du machst dir zu viele Gedanken, John. Es war nur diese eine Nacht.«
    »Ja. Dieselbe Nacht in jedem Jahr. Vielleicht werde ich eines Tages den Grund dafür erfahren.«
    Ich lächelte und berührte seine Wange. »Vielleicht. Aber nicht heute.« Etwas fiel klingelnd von meinem erhobenen Handgelenk, und er fing es geschickt mit einer Hand auf.
    »Du solltest den Verschluß reparieren lassen«, sagte er, »sonst wirst du dieses Armband noch verlieren, und ich kann mir dich nicht ohne es vorstellen.«
    Ich sah auf die abgenutzten Paradiesvögel hinab, die mein Handgelenk sechzehn Jahre lang umschlossen hatten – Johns ganzes Leben lang – und lächelte traurig. »Ich kann mir keinen neuen Verschluß leisten.«
    »Unsinn.« Er schloß seine Hand um das Armband. »Ich werde mich selbst heute

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