Mariana: Roman (German Edition)
Entschiedenheit, sondern nur ein stumpfes Gefühl der Enttäuschung und der Erschöpfung nach einer vergeblichen Mühe.
Ich wandte mich vom Fenster ab, stieg mit schleppenden Schritten die Treppe hinauf und fiel angezogen, wie ich war, auf mein Bett. Dort, im Halbdunkel des stillen Zimmers, kam endlich der Schlaf über mich – ein dunkler, tiefer Schlaf, traumlos und tief wie ein Abgrund. Die Zeit der Träume war vorbei.
Kapitel vierunddreißig
Das Wetter blieb schön am nächsten Tag, und ich fuhr zum Mittagessen nach London. Es war ein spontaner, unnötiger Ausflug, ein hastig arrangiertes Treffen mit meiner Verlegerin, um ein nicht existierendes Problem mit dem Buch zu besprechen. Wäre ich ehrlich zu mir selbst gewesen, hätte ich zugeben müssen, daß ich nur bezweckte, meinem eigenen Haus zu entkommen, in dem kindischen Versuch, das Unvermeidliche aufzuschieben. Wenn mir keine Erinnerungen an Marianas Leben kamen, während ich weit weg war von Zuhause, war das keine Tragödie. So jedenfalls lautete meine Überlegung. Aber wenn ich mich in Greywethers befand und keine Erinnerungen nachleben konnte, so wußte ich nicht, ob ich dies ertragen konnte.
Ich hatte schon den Verlust von Richard verkraften müssen und auf eine andere Weise den von Rachel; es erschien mir unfair, daß ich nun auch das Leben verlieren sollte, in dem ich sie gekannt hatte. Und doch wußte ich, daß ich es verlieren würde. Wenn ich Mrs. Hutherson glauben wollte, mußte ich es sogar verlieren. Das war das Schicksal, in das ich geboren worden war; das Schicksal, das mich über all die Jahre hinweg nach Hause gerufen hatte, nach Exbury und nach Greywethers und zu Geoff …
Die Seele sieht, worauf es wirklich ankommt, hatte Richard versprochen, und ich suchte Trost in diesem Versprechen. Ohne Zweifel würde die akute Schärfe meines Schmerzes mit der Zeit nachlassen. Mit der Zeit würde es mir nicht mehr so viel ausmachen, daß Geoff sich nicht wie ich erinnern konnte. Ich würde mein Glück in der Gegenwart finden, froh sein, daß ich ihn zweimal in zwei verschiedenen Leben gefunden hatte, und es dabei belassen.
Schließlich hatte er seinen Teil der Abmachung erfüllt. Er hatte gesagt, daß er zu mir zurückkommen werde, daß er nach mir suchen und ich ihn erkennen würde. Mehr hatte er nicht versprochen.
Es tat mir gut, in London zu sein, mitten im Gedränge der Läden und Geschäfte, mit meiner Verlegerin in dem eleganten, teuren Restaurant zu sitzen und den Strom von Menschen vor den Fenstern zu beobachten, die Schulter an Schulter in lebhafter, farbiger Vielfalt vorbeieilten. Ich hätte in London nicht mehr leben können. Die Stadt war kein Teil mehr von mir, noch ich von ihr, aber diese wenigen Stunden dort zu verbringen, brachte wieder Ordnung in mein Leben und erfüllte mich mit neuer, vitaler Energie.
Als ich auf der Heimfahrt über die kleine Brücke ratterte, fühlte ich mich wieder lebendig und verspürte beinahe so etwas wie Frieden. Mein Haus erhob sich stolz aus den Feldern, um mich zu begrüßen, verläßlich und unveränderlich stand es unter dem weiten Septemberhimmel. Ich fuhr langsam die Auffahrt hinauf, vorbei an kahler werdenden Bäumen, deren Blätter auf meine Windschutzscheibe fielen, und parkte den Wagen im alten Stall.
Ich hatte Besuch, der schon auf mich wartete. Vivien rief mir zu und winkte und ließ die Beine von der Taubenschlagmauer baumeln. Die Abendluft war klar und kühl, sie trug einen hellroten Pullover über ihren Jeans, und ihr blondes Haar war zu einem sich auflösenden Zopf geflochten.
»Wir haben uns schon mit Kaffee bedient«, erklärte sie mit einem willkommenheißenden Grinsen. »Ich dachte mir, du würdest nichts dagegen haben. Die Küchentür stand offen.«
Neben ihr hörte Iain auf zu arbeiten, lehnte sich auf seinen Rechen und strich sich das rostbraune Haar mit seiner behandschuhten Hand aus der Stirn. »Ich hätte mir auch ein Sandwich gemacht«, sagte er gutmütig, »aber sie hat mich nicht gelassen.«
»Allerdings nicht«, warf Vivien trocken ein. »Ich weiß schließlich, wie du ein Sandwich machst. Man glaubt jedesmal, daß du seit Tagen nichts mehr zu essen bekommen hättest.«
Er warf ihr einen seiner Blicke zu. »Ich arbeite hart, meine Liebe. Ich muß mich schließlich bei Kräften halten.«
Er hatte tatsächlich hart gearbeitet. Der Garten hatte sich völlig verändert, die braunen, verwelkten Blumen waren zu Haufen auf das verblichene Gras geworfen worden. Das
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