Mariana: Roman (German Edition)
zog eine Seite aus dem Stapel. »Hier ist es. Greywethers. Nach den Vermessungsurkunden wurde es im Jahr 1587 von einem Mann namens Stephen Sharington erbaut, einem Bauern, der das Land von unserem alten Freund Edmund Hatch gepachtet hatte. Stephens Sohn John erbte das Haus, der es 1626 an einen Robert Howard, Kaufmann von Beruf, verkaufte. Alles in Ordnung mit dir?«
Ich nickte. »Nur ein kleines Frösteln. Bitte mach weiter.«
»Die Howards behielten es bis ins frühe neunzehnte Jahrhundert, als sie es an Lawrence Alleyn verkauften. Der war ein interessanter Bursche, kämpfte mit Wellington bei Waterloo, nichts Geringeres, und verbrachte ein paar Jahre in Indien. Er hatte nur ein Kind, seine Tochter Mary, die ihrer Zeit ein wenig voraus war. Sie trug Hosen und schrieb Romane.«
»Schreckliche Romane«, führte Vivien mit leichtem Schaudern aus. »Ich habe einmal einen gelesen. Typisch viktorianisches Zeug. Voll endloser Beschreibungen und knochentrocken.«
»Wie auch immer.« Geoff lächelte nachsichtig. »Sie starb 1896, und das Haus wurde an einen Captain James Guthrie verkauft.«
»Das war der ›Captain Soundso‹, von dem die Jungs neulich gesprochen haben«, bemerkte Vivien. »Ich habe meine Tante nach ihm gefragt. Sie sagte, er sei ein Marineoffizier gewesen oder so etwas, irgendwie ein bißchen mysteriös. Manche Leute dachten, er sei ein Spion. Er kommandierte offenbar im Haus wie auf einem seiner Schiffe. Hatte drei Töchter, die fast nie ausgehen durften, die armen.«
»Was geschah mit ihnen?« fragte ich.
»Oh, ihr Vater starb schließlich.« Sie lächelte. »Vergiftet, glaubten die meisten. Und die Mädchen zogen weg und heirateten. Das muß so in den frühen Zwanzigern gewesen sein.«
»Ja, das paßt«, räumte Geoff ein, »denn im Jahr 1921 wurde das Haus an William Randall, Eddies Vater, verkauft. Er überredete den damaligen Besitzer von Crofton Hall – ich glaube, Pilkington war sein Name –, diesen Teil des Besitzes abzutrennen und zu verkaufen, so daß die Randalls die ersten waren, die auf ihrem eigenen Grund und Boden lebten.«
»Und nach den Randalls bist du die nächste Besitzerin«, sagte Vivien zu mir. »Nirgends eine Erwähnung einer Mariana, oder?«
Iain zuckte mit den Achseln. »Sie könnte eine Dienstbotin gewesen sein.«
»Oder jemandes Ehefrau«, vermutete Geoff. »Diese alten Urkunden erwähnen nur selten die Frauen des Haushaltes.«
Ich nickte. »In jedem Fall ist es sehr interessant. Du könntest mir nicht vielleicht eine Kopie davon machen?«
»Von der Geschichte deines Hauses? Aber gerne.« Er sah mir mit einem warmen Lächeln in die Augen, und ich hatte auf einmal das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen. Ich unterbrach den Blickkontakt, wandte mich ab und griff nach meinem Drink.
»Möchtest du noch einen?« bot Vivien mit einem Blick auf mein Glas an.
»Oh nein, danke, mir ist schon etwas schummrig.«
»Aber ich nehme gern noch einen Scotch.« Geoff hielt sein Glas hoffnungsvoll in die Höhe, und Vivien erhob sich lächelnd. »Na, das versteht sich ja wohl von selbst, oder? Iain? Noch ein Bier?«
»Klar, warum nicht?« Er übergab ihr grinsend die leere Flasche. Er sah fast genauso müde aus, wie ich mich fühlte, und mir fiel ein, daß er als Landwirt wahrscheinlich jeden Tag mit den Hühnern aufstand.
Geoff lehnte sich mit seinem neu gefüllten Glas zurück und veränderte seine Position auf dem Sofa, um mich besser ansehen zu können. »Also, wie hast du dich dort bisher eingelebt?«
»Ganz gut, danke«, antwortete ich. »Ich habe inzwischen die wichtigsten Sachen ausgepackt und die Zimmer saubergemacht, und den Rest mache ich nach und nach, wenn ich in der Stimmung dazu bin.«
Vivien ließ sich wieder auf dem Zweisitzer nieder und zog die Beine unter sich. »Das machst du richtig, finde ich. Schließlich sind die einzig wirklich wichtigen Räume die Küche und das Schlafzimmer.«
»Und das Bad«, fügte Geoff hinzu.
»Und mein Atelier.« Ich lächelte. »Ich war furchtbar faul in den letzten beiden Wochen, ich habe überhaupt nicht gearbeitet. Meine Verlegerin würde in Ohnmacht fallen, wenn sie das wüßte.«
»Julia«, verkündete Vivien den anderen, »zeichnet nämlich Illustrationen für Kinderbücher.«
Iain nahm einen tiefen Zug von seinem Bier, seine grauen Augen zwinkerten indem unbewegten Gesicht. »Hm ja, ich glaube, ich habe schon so etwas gehört.«
»Eine interessante Arbeit«, war Geoffs Kommentar. »Sie läßt dir bestimmt eine
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