Mariana: Roman (German Edition)
Löwen führte durch einen der wunderbarsten Gärten, die ich je gesehen hatte – es war die Art von Garten, die man immer in Reiseführern sieht, versehen mit der Unterschrift »Ein englischer Garten auf dem Land«. Oder jedenfalls würde er das im Sommer sein, wenn alles in voller Blüte stand. Sogar jetzt, Mitte Mai, war der Garten herrlich üppig, und in jeder Ritze der alten Steinmauer, die ihn umgab, klammerten sich winzige Blüten fest. Ich blieb einen Moment auf der Hintertreppe stehen, versunken in stille Bewunderung.
»Achtung, ich bin hinter dir und komme auf dich zu«, verkündete Iain Sumner aus einigen Metern Entfernung. »Na«, fragte er, als er zu mir auf die Stufen trat, »war das besser?«
Ich schüttelte lachend den Kopf. »Leider nein. Ich bin trotzdem zusammengefahren.«
»Nun«, seufzte er, »dann müssen wir uns etwas anderes ausdenken. Ich will doch nicht, daß du meinetwegen einen Herzinfarkt bekommst.«
»Hallo!« Geoffrey de Mornay kam um die Hausecke gebogen, merkwürdig elegant selbst in Jeans und sportlichem Hemd. Sein Gruß war an Iain gerichtet, aber sein Lächeln, wie ich mir einbildete, an mich.
»Warum solltest du einen Herzinfarkt bei ihr auslösen?« fragte er.
Iain grinste. »Weil ich mich wie eine verdammte Katze bewege.«
»Wie bitte?«
»Er schleicht sich immer an mich heran«, erklärte ich.
Iain reagierte beleidigt darauf und hob die Augenbrauen in gespielter Empörung. »Ein Schotte«, informierte er mich, »schleicht nicht.«
»Wie auch immer. Ich höre ihn nie kommen.«
Geoff runzelte die Stirn. »Du könntest schwerere Stiefel tragen, zum Beispiel«, schlug er vor, aber Iain schüttelte den Kopf.
»Schwerer als diese geht nicht.«
Wir blickten alle drei mit nachdenklichen Mienen auf Iains schlammbespritzte Stiefel hinunter, bis ein gewichtiges Räuspern uns gleichzeitig die Köpfe heben ließ.
»Hallo.« Vivien strahlte uns von der offenen Tür her an. »Wollt ihr drei hereinkommen, oder soll ich zu euch rauskommen?«
»Hallo, Viv.« Geoff beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen. »Danke für die Einladung.«
Er glitt an ihr vorbei ins Haus, und Iain und ich folgten ihm auf den Fersen. Vivien schloß die Tür hinter uns mit einem Kopfschütteln. »Was habt ihr denn bloß da draußen gemacht?«
»Meine Stiefel betrachtet«, gab Iain zur Antwort, wobei er das fragliche Schuhwerk von den Füßen streifte und auf Socken in die kleine Küche schlenderte. Ertrug ebenfalls Jeans und ein Flanellhemd, und ich wäre mir in meinem Rock und meinem Pullover beinahe zu elegant vorgekommen, hätte Vivien nicht ein Kleid getragen, ein schön geschnittenes, dunkelblaues Kleid, das ihr blondes Haar vorteilhaft zur Geltung brachte.
»Du hast einen wunderschönen Garten«, sagte ich ihr, worauf sie lächelte.
»Danke, aber das Lob gebührt nicht mir. Iain hat die meiste Pflanzarbeit geleistet.«
»Gibt es hier irgendeinen Garten, bei dem er nicht die Finger im Spiel hat?«
»Wahrscheinlich nicht«, antwortete Iain selbst über die Schulter, während er im Kühlschrank stöberte. »Ich mag Gärten. Kann es nicht leiden, sie verkommen zu sehen.« Er richtete sich mit einem Sandwich in der Hand auf. »Es gab übrigens auch einmal einen hübschen Garten oben bei deinem Haus. Der alte Eddie hat ihn verwuchern lassen. Wollte sich nicht damit abgeben.«
»Der Garten, in dem die Grüne Frau erschien.«
»Genau«, mischte sich Geoff ein und setzte sich auf das lange Sofa in dem kombinierten, großzügigen Wohn- und Eßraum. »Du hast nach dem örtlichen Legendenschatz gegraben, stimmt’s?«
»Ich finde so etwas faszinierend. Ich hatte noch nie einen Geist.«
»Du hast auch jetzt nicht unbedingt einen«, schränkte er ein. »Die Grüne Frau ist nicht mehr gesehen worden, seit ich im Sandkasten gespielt habe. Es sei denn, du hast sie selbst gesehen in letzter Zeit?«
»Nein, leider nicht.« Vivien durchquerte den Eßbereich und gab Geoff ein Glas mit einer hellen, bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
»Sie hat dafür alte Briefe gefunden, die irgendwo versteckt waren«, erzählte sie ihm. »Hat dort einmal eine Mariana gelebt, weißt du etwas darüber?«
»Mariana …« Geoff nippte gedankenvoll an seinem Drink. »Ich bin mir nicht sicher. Kennst du ihren Nachnamen?«
»Farr«, sagte ich und ergänzte als Antwort auf Viviens fragenden Blick, »ich habe ihr Grab auf dem Friedhof, gefunden.«
»Mariana Farr. Nein, ich kann mich nicht erinnern. Aber vielleicht ist sie
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