Mariana: Roman (German Edition)
gesellschaftlichen Graben, der uns trennte. Er war schließlich der Herr des Gutshauses, rief ich mich selbst zur Ordnung. Und so mittelalterlich das auch klingen mochte, so war doch nichts Mittelalterliches an der Tatsache, daß sein Kontostand meine bescheidenen Einkünfte wie Taschengeld aussehen lassen würde. Ich mußte von allen guten Geistern verlassen sein.
Doch als er zurückkam, brauchte ich ihm nur ins Gesicht zu sehen, und all meine Mittelklassebedenken waren vergessen. In diesem Augenblick sah Geoffrey de Mornay überhaupt nicht wie ein Lord aus. Er sah, fand ich, genau wie ein kleiner Junge aus – glücklich und sorglos und sehr zufrieden mit sich.
»War irgend etwas los, während ich weg war?«
»Nicht viel. Ein paar von den älteren Damen fielen in Ohnmacht, als sie dich den Scheck ausschreiben sahen, aber ansonsten war es recht öde.«
Er lachte, warf seinen dunkelhaarigen Kopf zurück und sah mich voll Wärme an. Er hatte mir einmal gesagt, ich solle mich nicht dafür entschuldigen, intelligent zu sein, und er entschuldigte sich jetzt auch nicht bei mir dafür, reich zu sein. Ich mochte das an ihm. Statt dessen legte er wieder seinen Arm um meine Schultern und lenkte meine Aufmerksamkeit auf eine in der Nähe stehende Anrichte. »Die Anrichte selbst taugt nicht viel«, sagte er, »aber ich wette mit dir, daß die beiden Urnen, die darauf stehen, für mindestens sechstausend Pfund weggehen werden.«
Ich betrachtete sie. »Die Wette gilt«, nahm ich an. »Ich wette um fünfzig Pence mit dir.«
Wir blieben noch etwa eine Stunde – lange genug für mich, um meine fünfzig Pence zu verlieren und weitere fünfundzwanzig Pfund für ein völlig überflüssiges Gemälde für den Flur ausgeben zu können – und schlenderten dann zögernd zurück zum Anfang der Auffahrt, etwas behindert durch unsere sperrigen Erwerbungen.
Der graubärtige Herr, der meine Bücherkiste erstanden hatte, lehnte am Kofferraum von Geoffs Wagen, rauchte eine Zigarette und blickte mit ruhigem, zufriedenen Ausdruck auf die noch weiter fortschreitende Versteigerung zurück. Er trat zur Seite, als wir herankamen.
»Entschuldigen Sie«, sagte er zu Geoff. »Ich warte hier nur, bis mein Sohn kommt und mich abholt. Ich hatte keine Lust, die da«, er deutete auf die Kiste, »weiter zu schleppen, als unbedingt nötig.«
»Kann ich Ihnen nicht verdenken«, sagte Geoff, während er versuchte, seine heißbegehrten Bibliotheksgloben im Kofferraum unterzubringen, ohne sie zu beschädigen.
Ich lächelte den alten Mann an. »Da haben Sie ja einen ganz guten Fang gemacht.«
»Ich weiß«, nickte er bedächtig. »Mein Vater hat die meisten dieser Kriminalromane geschrieben. Sie sind für mich praktisch von unbezahlbarem Wert.«
Geoff unterbrach seine Verstauungsaktion, um mir einen ahnungsvollen Seitenblick zuzuwerfen, aber ich hatte meine Chance schon erkannt.
»Oh, sieh doch mal!« Ich beugte mich herunter und zog mit geheucheltem Erstaunen den Tolkien aus den wild durcheinanderliegenden Büchern. » Der Hobbit! Sieh doch, Darling, ist das nicht das Lieblingsbuch unseres kleinen Jimmy?«
Geoff grinste mich nur an und weigerte sich, mitzuspielen, doch ich sah den freundlichen alten Mann mit hoffnungsvoll fragendem Gesicht an und wünschte mir, daß ich wenigstens noch ein bißchen von dem kindlichen Charme besaß, den ich als Siebenjährige gehabt hatte.
»Sie möchten es wohl nicht zufällig …« begann ich, ein wenig unsicher werdend, »Sie wollen es nicht vielleicht …«
»Sie können es haben«, sagte er großzügig. »Ich will nur die Krimis. Nehmen Sie das Buch ruhig für Ihren kleinen Jungen.«
Immerhin empfand ich einen kleinen Gewissensbiß.
»Lassen Sie es mich wenigstens bezahlen«, bot ich an und reichte ihm eine Zehn-Pfund-Note, die er zu meiner großen Erleichterung annahm. »Schließlich«, lächelte ich breit, »hat es ja sicher auch irgendeinen Wert.«
Geoff schlug den Kofferraumdeckel mit einem seltsamen Hüsteln zu und hielt mir die Beifahrertür auf. »Komm jetzt, Darling «, sagte er. »Wir müssen los.«
Im Auto warf er mir erneut einen langen Seitenblick zu, bevor wir beide in Lachen über mein unverschämtes Glück ausbrachen.
»Du bist schamlos«, beschuldigte er mich. »Erschreckend gut, aber schamlos.«
»Ich hatte einen ausgezeichneten Lehrer«, erklärte ich und unterhielt ihn über die nächsten Kilometer mit Geschichten von den Auktionshaus-Geniestreichen meines Vaters und dem bei uns
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