Mariana: Roman (German Edition)
abgeschlossen, als du weggegangen bist.«
»Ich bin nicht besonders angetan von diesem neuen Schloß«, antwortete ich. »Es ist ziemlich schwergängig, und ich kann den Schlüssel manchmal nicht umdrehen. Wenn ich mich also nicht gerade kilometerweit entferne, mache ich mir einfach nicht die Mühe. Außerdem« fügte ich mit pragmatischer Note hinzu, »arbeitet Iain manchmal im Garten hinterm Haus, und er könnte ein Glas Wasser benötigen oder auf Toilette müssen.«
»Tja, das ist richtiges Dorfleben.« Mein Bruder deutete ein Lächeln an. »Wenn ich ein mißtrauischer Mensch wäre, würde ich vermuten, daß du dich auf einen deiner kleinen Ausflüge ins Mittelalter begeben hast.«
»Ins siebzehnte Jahrhundert«, verbesserte ich ihn.
Wenn er mich direkt danach fragen würde, dachte ich, müßte ich es ihm sagen. Ich hatte Tom noch nie gut anlügen können, er merkte es fast immer. Aber er fragte mich nicht.
»Was soll’s.« Er zuckte mit den Achseln, gab wieder Gas, und wir fuhren den Rest des Weges schweigend.
Kapitel zweiundzwanzig
Der Monat Juni war strahlend schön, mit langen Tagen voll Sonnenschein und warmen Nächten, die dufteten, wenn eine Sommerbrise über die grünenden Felder strich, während eine Nachtigall unten beim murmelnden Fluß für ihren Partner ein Lied sang. Selbst der Regen fiel sanfter, und der kleine Garten beim Taubenschlag begann schüchtern zu blühen. Akelei und Iris beugten sich, um Platz für die kühneren Zweige des roten Baldrian zu machen, und eine verstreute Mischung aus dichten Büschen von Glockenblumen und Bartnelken, verwobenes Blaßblau und Rosa, tanzte zu Füßen der stattlicheren Lanzen von tiefpurpurnem Fingerhut und Eisenhut.
Die ständig wechselnde Erscheinung des Gartens faszinierte mich. Indem ich mir Bücher von Iain auslieh, lernte ich nach und nach den Namen jeder neuen Blume, und bald schlichen sich die Blumen selbst in meine Zeichnungen ein und verliehen den dunklen, mittelalterlichen Wäldern meiner Märchenillustrationen fröhliche Farbtupfer und eine neue Vielfalt. Meine Verlegerin war begeistert von den Proben, die ich ihr schickte, und falls ihr auffiel, daß all meine Prinzen sich merkwürdig ähnlich sahen, so erwähnte sie es nicht.
Ich selbst blühte auch auf und aalte mich in der verzückten Hochstimmung, die dem Beginn einer neuen Liebe vorausgeht.
Geoff war zwei Tage nach meinem Spaziergang am Fluß zurückgekommen, und am Samstagabend führte er mich wie versprochen zu Abendessen und Tanz in ein elegantes Restaurant diesseits von Swindon aus.
Es war ein Abend voller Zauber, wie aus einem der Märchen, die ich so fleißig illustrierte. Das Restaurant selbst hätte aus einem Film stammen können – überall Kerzen und Blumen und Damast und Kellner, die nie gehetzt wirkten. Zu dem Zeitpunkt, als wir nach dem Essen unseren Cognac getrunken hatten, war ich praktisch in Geoffrey de Mornay verliebt. Ich hätte ein übermenschliches Wesen sein müssen, es nicht zu sein.
Unser Verhalten zueinander änderte sich nicht wahrnehmbar, aber als der Monat zu Ende ging, wurde deutlich, daß unsere Freundschaft um etwas reicher geworden war, die Andeutung einer noch nicht ausgesprochenen Möglichkeit, die unter der Oberfläche des gegenseitigen Anlächelns und der freundlichen Unterhaltungen lag. Ich wurde umworben.
Da meine Tage auf diese Weise gleichmäßig zwischen Arbeit und Vergnügen aufgeteilt waren, blieb mir wenig Zeit für weitere experimentelle Ausflüge in die Vergangenheit. Immer wenn ich das vertraute Schwindelgefühl in mir aufsteigen spürte, unterdrückte ich es schnell, schloß die Augen fest und widerstand der wirbelnden Dunkelheit mit jeder Faser meines Seins. Dafür ist später noch genug Zeit, überlegte ich. Aber jeden Morgen, wenn mein Blick auf Marianas Armband fiel, starrten mich die glänzenden Augen der Paradiesvögel in stummem Vorwurf an. »Ich habe es nicht vergessen«, rechtfertigte ich mich sowohl vor dem Gesicht im Spiegel als auch vor den vergoldeten Vögeln. »Ich möchte doch nur ein bißchen Vergnügen, das ist alles.«
Es war ein wenig, wie im Urlaub zu sein. Geoff und ich machten Spaziergänge über die langen Pfade, die sich durch Felder und Landschaft wanden, verbrachten ganze Nachmittage damit, in Antiquitätenläden herumzustöbern, und ganze Abende mit Dartspielen und Geschichtenerzählen, unter Viviens nachsichtigen Blicken, im Roten Löwen. Ich feierte meinen dreißigsten Geburtstag im Löwen, und das
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