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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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immer unerhört aufregend.
    Zur Feier ihres Geburtstages in diesem Sommer durfte sie zu einer Matinee des neuen Stückes gehen, in dem Onkel Geoffrey spielte. Es hieß . Sie saß mit ihrer Mutter in der ersten Reihe des ersten Rangs, einerseits vor Angst zitternd, daß Onkel Geoffrey seinen Text vergessen oder sich sonst irgendwie lächerlich machen könnte, andererseits stolzgeschwellt bei dem Gedanken, daß es ihr Onkel war da unten auf der Bühne, über den alle lachten und sich amüsierten. In den Pausen erzählte sie ganz laut von ihm, damit die Umsitzenden auch ja alle gleich Bescheid wußten. Die Heldin hieß Renee Aimee, und Mary fand sie wunderschön. Sie sang, tanzte und sagte Dinge wie zum Beispiel: «Liebster, vom ersten Augenblick an, da ich dich sah, habe ich dich geliebt.» Sie wurde von fast allen jungen Herren und auch von Onkel Geoffrey geküßt und führte ein so romantisches Dasein, daß sie Mary auf eine Idee brachte. Sie wollte selbst ein Stück schreiben und es mit ihren Vettern und Kusinen während der nächsten Ferien in Charbury aufführen. Bestimmt würden alle Erwachsenen kommen und es sich ansehen, daran zweifelte sie keine Sekunde.
    Nach der Vorstellung, nachdem er sich abgeschminkt und umgezogen hatte, kam Onkel Geoffrey ins , um dort mit ihnen gemeinsam Tee zu trinken. Mary, die in ihm noch Lord Footle, den reichen, jungen Taugenichts, sah, war zuerst ein bißchen befangen, aber dann wurde ihr sehr schnell klar, daß es doch nur Onkel Geoffrey war, mit den gelben Nikotinfingern und der Schwäche für Anchovis-Sandwiches. Glückseligkeit, Aufregung und eine beträchtliche Anzahl von Schokoladen-Eclairs bewogen Mary, ihnen beim Tee ihre große Idee anzuvertrauen.
    «Donnerwetter», sagte Onkel Geoffrey, der schon so lange immer die gleiche Art von Rollen spielte, daß er zuweilen in seinen Bühnenjargon verfiel, «fabelhafte Idee, und der Inhalt?»
    «Ach — äh», sagte Mary, die bisher lediglich sich selbst als die sternenäugige Heldin Cloe sah, «es handelt sich um eine Prinzessin — und einen Prinzen — , sie verlieben sich ineinander, werden getrennt, aber zum Schluß kriegen sie sich. Natürlich kommen auch ein paar Morde vor...»
    Hier brach sie ab, denn in ihrer Vorstellung begann eine Fülle köstlicher Ideen Gestalt anzunehmen.

    Abends, wenn sie keine Schulaufgaben zu machen hatte, und an den Wochenenden schrieb Mary ihr Stück. Onkel Geoffrey erwies sich dabei als große Hilfe. Zunächst hatte sie ihm keinen Einblick gestattet, aber als sie dann ein- oder zweimal festsaß und sich hilfesuchend an ihn wandte, da hatte er sich glänzend bewährt.
    An einem heißen Sonnabend im Juli ging Mrs. Shannon, todschick in einem weißen Leinenkleid mit roten Knöpfen und einem weißen Turban auf ihrem kurzen, glänzenden Haar, zu einem Picknick am Fluß, das von Onkel Guy veranstaltet wurde. Onkel Geoffrey war auch eingeladen worden, aber er hatte, auf dem Sofa liegend und sich mit einer Zeitung Kühlung zufächelnd, gesagt: «Viel zu heiß! Ohne mich, Lil», und dann hatte er hinzugefügt: «Ehrlich gesagt, ich hab Angst vor deinen reichen Verwandten. Ich hab immer das Gefühl, die würden mich am liebsten nach Haus schicken, damit ich mir erst mal einen anderen Schlips umbinde.»
    Er ruhte sich aus — körperlich und geistig — , denn hatten ihr übermütiges Treiben beendet, und wenn Onkel Geoffrey nichts zu tun hatte, war er noch träger und unbeweglicher als sonst.
    Da Mrs. Duckett nach dem Mittagessen nach Hause ging, machte Mary den Tee und versuchte verzweifelt, mit einem stumpfen Messer hauchdünne Scheiben von einem krümeligen Laib Brot abzuschneiden. Schließlich aßen sie fingerdicke Butterbrote mit Sirup darauf, der ihnen das ganze Kinn verschmierte. Nachdem sie abgeräumt und sogar, wenn auch nicht allzu gründlich, abgewaschen hatte, wobei sie sich sehr hausfraulich vorkam, holte Mary ihr biegsames, rotes Oktavheft aus ihrer Wäschekommode und ging wieder ins Wohnzimmer, wo Onkel Geoffrey in Khakihosen und gestreiftem Sporthemd versuchte, sich im Selbstunterricht das Spielen auf einer Hawaiigitarre beizubringen. Den konnte er bereits, aber obwohl das der Dame von nebenan bestimmt genügte, genügte es ihm offenbar noch nicht. Mary saß in ihrem kurzärmeligen Waschkleidchen am Tisch neben dem geöffneten Fenster, durch das frische Luft, soweit man davon reden konnte,

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