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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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«Ich hab das ganze Stück fertig. Hör mal zu, das ist die letzte Zeile: «Liebster, vom ersten Augenblick an, da ich dich sah, habe ich dich geliebt. Vorhang!» Sie sah ihn forschend an, ob ihm die kleine Anleihe bei den wohl auffallen würde; wenn ja, so ließ er sich jedenfalls nichts anmerken.
    «Bravo! Du bist eine gescheite kleine Person! Wirklich fabelhaft! Und was, glaubst du, hat sich gerade bei deinem alten Onkel getan?» Er wedelte mit einem Briefumschlag. «Hier ist ein Brief von meinem Agenten, der mir mitteilt, daß ich in der nächsten Woche mit den Proben für...» — er warf sich in die Brust — « beginne.»
    «Findest du nicht auch, daß das gefeiert werden muß? Was hältst du davon, wenn wir uns einen vergnügten Abend machen? Ich führe dich aus ins Westend und lade dich zu dem tollsten Diner ein, das du bisher in deinem Leben gegessen hast. Mami würde nichts dagegen haben. Warte noch eine Sekunde», sagte er, als Mary von ihrem Stuhl glitt und aufgeregt einen feierlichen, kleinen Tanz auf dem Kaminvorleger ausführte, «ich muß erst nachsehen, ob ich genug Geld habe.» Er kramte in seinen Taschen und brachte tatsächlich einige Scheine zum Vorschein. «Hurra, sieh dir das an! Ich hatte ganz vergessen, daß Roddy seine Schulden bei mir bezahlt hat. Gott segne ihn. Wir nehmen uns ein Taxi. Du brauchst dich nicht in Schale zu werfen, zieh nur einen Mantel über; und zu waschen brauchst du dich auch nicht, schließlich soll es ja ein Vergnügen sein. Nur die Haare mußt du dir bürsten, du siehst aus wie Lilian Gish als Ophelia. Mary schoß in ihr Zimmer, und nach ein paar Minuten erschien sie mit glattgestriegelten Haaren und ihrem blauen Schulmantel über dem Sommerkleid. Onkel Geoffrey war im Badezimmer und schmierte sich weitere Mengen Pomade in die Haare, wobei er in die Knie ging, damit er sich im Spiegel besser sehen konnte. Dann band er sich eine orangefarbene Krawatte um den Kragen seines Sporthemds, hing sich ein blaues Tweed-Jackett um und ab ging’s.

    ...ob ich genug Geld habe», sagte Onkel Geoffrey. Das ist oft zu spät. Wenn es geht, sollte man sich lieber vorèehen, daß einem das Geld nicht ausgeht. Sonst hat man leicht das Nachsehen.

    Mary bedauerte, daß der Portier gerade seinen freien Tag hatte und nicht sehen konnte, wie sie sich ein Taxi heranwinkten.
    «Wo fahren wir denn hin, Onkel Geoff?» fragte sie, auf die äußerste Kante des Sitzes gehockt, um die Straßen draußen besser sehen zu können.
    «Wo möchtest du gern hin?»
    «Ins Ritz», sagte Mary kühn und war sich, nachdem es heraus war, nicht ganz im klaren, ob es sich dabei um ein Restaurant oder ein Theater handelte.
    Onkel Geoffrey, der hinter ihr saß, lachte. «Das kommt davon, wenn man einen Großvater hat, der ein Restaurant besitzt. Zu werden wir allerdings auch nicht gehen», fügte er hinzu, «obwohl wir da sicherlich ein paar Prozent auf die Rechnung bekämen. Aber das ist nicht der richtige Platz für Leute wie wir. Das ist was für Angeber, denen es egal ist, was es kostet, solange sie wissen, sie essen das Beste vom Besten, und denen es andererseits wieder egal ist, was sie essen, Hauptsache, sie bezahlen einen unverschämten Preis dafür. Nein, ich werde dir sagen, wo wir hingehen — ins Café Royal. Bist du da schon mal gewesen?» Mary machte große Augen und schüttelte den Kopf. «Nettes Lokal. Bestimmt treffe ich da auch irgend jemand, den ich kenne», setzte er hoffnungsvoll hinzu. Mary teilte diese Hoffnung durchaus nicht. Es machte viel mehr Spaß, wenn sie allein waren. Bei Onkel Geoffreys Freunden wußte man nie genau, ob sie über einen lachten oder nicht.
    Es war noch nicht ganz dunkel, als sie in der Piccadilly Street ankamen, aber die elektrischen Leuchtreklamen flimmerten bereits in der Dämmerung.
    «Sieh mal, ein Tom-Mix-Film», rief Mary, die inzwischen bereits auf der rauhen Matte kniete, «könnten wir nicht vielleicht nach dem Essen-natürlich nur, wenn du Lust hast — könnten wir dann nicht vielleicht — ? »
    «Natürlich können wir. Erst werden wir soupieren, und dann führe ich dich ins Kino, und wenn’s dunkel wird, halte ich deine Hand. Wie wär das?»
    Das Taxi fuhr beim Café Royal vor, und Mary sprang heraus und schlüpfte unter dem Arm eines riesigen Türstehers hindurch. Im Lokal fühlte sie sich noch winziger als sonst, und sie hätte gern Onkel Geoffreys Arm ergriffen, ließ es aber doch

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