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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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und dann ins Bett mit dir.»

3

    Das Taxi hielt mit lautem Quietschen, Mary und ihre Mutter fielen fast heraus und standen steifbeinig und müde auf dem Trottoir nach einer Fahrt, die sie als länger, schmutziger und viel ermüdender empfunden hatten, weil es die Heimreise war. Als sie durch die Tür mit dem Schild     Der picklige junge Portier legte seinen Groschenroman aus der Hand und stand mißmutig von seinem Stuhl auf, um sie in den vierten Stock hinaufzufahren. Onkel Geoffrey öffnete die Tür von Nr. 37 und sagte: «Na also! Schön, daß ihr wieder da seid! Ich hab mich verdammt einsam gefühlt.» Über einem alten Hemd und alten Hosen trug er seinen karierten Morgenrock und strich sich das strähnige Haar mit jener vertrauten Bewegung zurück, als ob er seinen Kopf, der ohnehin schon platt war, noch mehr abplatten wolle. Nett, von jemandem empfangen zu werden, dachte Mary, aber nachdem die erste Freude über das Wiedersehen mit ihm und den Wellensittichen vorbei war und sie sich überzeugt hatte, daß all ihre Besitztümer noch vorhanden waren, fühlte sie sich leer, elend und plötzlich ganz verlassen.
    «Wir können essen, sobald ihr soweit seid», sagte Onkel Geoffrey, «also Kopf hoch und wasch dir die Hände, Kleines. In einer halben Stunde muß ich ins Theater.» Mary war nicht hungrig. Sie stand bei dem Vogelkäfig am Fenster und fuhr mit den Nägeln an den Stangen entlang. Ihre Unterlippe zitterte, als sie daran dachte, daß sie und Denys sich gestern um diese Zeit in einer feuchten, warmen Höhle unter dem Lorbeerbusch verkrochen hatten, um sich vor Nanny zu verstecken, die in der Dämmerung nach ihnen rief, damit sie ins Haus kommen und ihr Bad nehmen konnten.
    «Nun geh schon, Kind», sagte Mrs. Shannon, die die Nippesfiguren und Fotografien auf dem Kaminsims zurechtrückte, «wenn du nur nicht so herumtrödeln würdest.» Mary schlich sich aus dem Wohnzimmer über den Korridor in ihr eigenes Zimmer, das rechts von der Eingangstür lag. Die Luft war stickig und klamm zugleich, wie immer in unbewohnten Räumen, und das Zimmer sah nicht danach aus, als freue es sich über ihre Rückkehr. Für jeden, der nicht kannte, war es ein sehr nettes, kleines Zimmerchen mit einer Kommode, einem Kleiderschrank, einem Bücherbrett neben dem Bett und einer Reihe von Bildern an den Wänden, die entweder gerahmt oder mit Reißnägeln angeheftet waren. Der Wollteppich auf dem Fußboden war schon ziemlich dünn und bedeckte nur einen kleinen Teil des braunen Linoleums, aber es gab eine lustige, buntgestreifte Bettdecke mit passenden Vorhängen, die bei Ponting’s vom Ballen gekauft waren. Mrs. Duckett hatte offensichtlich ein Großreinemachen veranstaltet, was Onkel Geoffrey, wie er sagte, an das Walten der Nemesis erinnerte, denn Marys Puppen und Stofftiere waren in einer Schublade verstaut, und die meisten Bücher im Regal standen auf dem Kopf.
    Sie nahm den Hut ab, zog den Mantel aus und hängte beides in den Wandschrank, wo ihr frischgebügeltes Schulkleid sie daran erinnerte, daß übermorgen die Schule wieder anfangen würde.
    Ihre Mutter rief nach ihr. Als sie zum zweiten Mal rief, ging Mary ins Eßzimmer hinüber, ohne sich die Hände, die von der Reise ganz schwarz waren, gewaschen zu haben. Sie war todmüde. Onkel Geoffrey und ihre Mutter aßen Makkaroni mit Käse und tranken Bier dazu, und für Mary gab es Kakao, ein gekochtes Ei und Butterbrot. Es war ziemlich kühl im Eßzimmer. In Charbury könnte sie jetzt im Kinderzimmer auf einem Hocker vor dem Kamingitter sitzen, in den Händen einen Becher mit heißer gezuckerter Milch und auf den Knien einen Teller mit Buttergebäck und zerdrücktem Zwieback. Mary trank einen Schluck Kakao und stellte die Tasse schnell wieder hin, als sie daran dachte, wie es jetzt in Großmamas Zimmer aussehen würde, wenn sie zu ihr gehen und ihr gute Nacht sagen könnte. Sie sah die zugezogenen Vorhänge mit dem Pfauenmuster, das Holzfeuer im Kamin, die Blumen, die überall sorgsam verteilt waren, und den großen, grünen Teppich, in dem die Füße

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