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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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nahm ihn wieder ab und ging barhäuptig nach Hause. Sie schüttelte den Kopf hin und her und ließ sich den Wind durch die Haare wehen, aber anstatt des erwarteten angenehmen Gefühls fand sie nur, daß es unangenehm zog. Gott sei Dank war ihre Mutter nicht zu Hause. Mary ging nochmals fort, kaufte Würstchen und einen Blumenkohl und machte einen Auflauf zum Abendessen. Sie deckte den Tisch, zog statt der Schultunika ihr braunes Kleid mit der großen weißen Schleife an, und als sie gerade beschlossen hatte, an der Ecke schnell noch ein paar Blumen zu kaufen, hörte sie ihre Mutter die Tür aufschließen. Sie setzte sich rasch auf dem Sofa zurecht, und mit klopfendem Herzen tat sie, als sei sie in ein Buch vertieft. Es war das erste Mal, daß Mary ihre Mutter sprachlos sah.
    Sie stand mitten im Zimmer, ihre flinken, kleinen schwarzen Augen fielen ihr fast aus dem Kopf. Ganz langsam stieg Mary die Röte ins Gesicht, als sie versuchte, ihrem Blick standzuhalten.
    «Ich kann dir nur den einen Rat geben», sagte Mrs. Shannon, nachdem sie ihre Sprache wiedergefunden hatte, «schaff dir niemals Kinder an.»
    Als Mary und Tante Mavis bei Lord’s ankamen, erlebten sie gerade noch mit, wie Denys in einem phantastischen Gang den dreiundfünfzigsten Lauf erzielte und dann wurde durch einen Wurf, den Großpapa und seine Freunde als bezeichneten.
    «Was um Himmels willen hast du denn gemacht?» waren Denys’ erste Worte, als er Mary sah. «Du Schöps, du hast dir ja die Haare abschneiden lassen.»
    «Gefällt’s dir nicht?»
    «Klar, mir gefällt alles an dir. Komm, wir gehen hier lang und sehen mal, wer da ist.» Mary war selig und stolz darauf, mit ihm gesehen zu werden. Er sah großartig aus — in weißen Flanellhosen und einem hellblauen Blazer — , und in dem weißen, offenen Hemd hatte er noch mehr Ähnlichkeit mit Rupert Brooke als sonst. Alle sahen ihnen nach, als sie vorbeischlenderten, und Mary hörte, wie die Leute sagten: «Das ist der Captain, der Junge, der fünfzig gemacht hat.» Den Kleinen mit ihren Zylinderhüten stand fast das Herz still, als er vorbeiging. Sie stießen ihre Verwandten an und sagten mit vor Aufregung heiserer Stimme: «Sieh mal schnell, Mutter — oder Vater — oder Onkel Benjamin — , der da ist Ritchie.»
    «Was für ein gutaussehender Junge », sagten die Mütter träumerisch und hielten sich das Lorgnon vor die Augen.
    Nach dem Lunch, als Denys wieder aufs Spielfeld ging, blieb Mary bei Großpapa. Er hatte seinen Zylinder in die Stirn gezogen, saß breitbeinig da und stützte sich auf seinen Spazierstock. Bis auf den Zentimeter genau verfolgte er jeden Ball. Der arme Großpapa, alle sagten, er wäre fabelhaft und hätte sich , aber Mary fand das ganz und gar nicht. Er war vollkommen verändert. Er hatte so einen verlorenen Blick und sah bekümmert aus wie ein trauriger Hund, und wenn er seine kleinen Scherze machte, war es, als ob er sie gewaltsam irgendwo herholen mußte, weil sie freiwillig nicht kamen. Er ging jetzt jeden Tag ins Büro und nicht mehr wie früher nur gelegentlich, aber er hatte Marys Mutter anvertraut, daß sogar sein geliebtes Restaurant ihn nicht mehr haben wolle. Es war sein Kind, das er in die Welt gesetzt hatte und das ihm jetzt zu entgleiten begann. Dank Lionel und Guy blieb für ihn nichts mehr zu tun, und sie schoben ihm unwichtigen Kleinkram zu, nur um ihn zu beschäftigen.
    «Wie geht’s im Geschäft?» fragte Mary, weil sie wußte, daß er sich über diese Frage freute.
    «Danke, mein Püppchen, es blüht und gedeiht. Du mußt bald mal zum Essen kommen, ich werde eine Feinschmeckerin aus dir machen. Vom Essen und Trinken verstehst du, glaube ich, noch nicht viel, stimmt’s? Als dein Vater geboren wurde, da habe ich für ihn, genau wie für die anderen, Portwein reserviert, den müßtest du eigentlich bekommen. Soll ich ihn dir schenken, wenn du heiratest? Vorausgesetzt, du heiratest einen Mann, der einen edlen Tropfen zu schätzen weiß.»
    «Ach ja, bitte.» Denys liebte Portwein. «Und ich komme schrecklich gern zum Essen, Großpapa. Ginge es vielleicht an einem Sonnabend?»
    «Wann du willst, ich habe ja nichts zu tun. Dann kannst du auch gleich Onkel Guys letzte scheußliche Errungenschaft bewundern», fügte er etwas verbittert hinzu.
    «Was ist denn das?»
    «Eine Cocktail-Bar, ausgerechnet! Er versucht das Lokal zu amerikanisieren. Alles in diesem blitzenden — ich weiß nicht, wie das Zeug

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