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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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dämlich aussah, wie sie sich vorkam. «Mut!» Alle versuchten wie die Heilige Johanna auszusehen. «Hoffnung!» sagte Miß Dallas, atmete tief ein, und die Köpfe beugten sich nach hinten, die Augen blickten himmelwärts, und die Münder waren leicht geöffnet. «Ekstase!» Schon das Wort schien sie zu «berauschen. Einige — unter ihnen auch Myrtle Drew — versuchten krampfhaft, in Raserei zu geraten, während Mary und die anderen die Köpfe hintenüber sinken ließen, die Arme ausbreiteten und hofften, daß das genügte.
    «So», rief Miß Dallas und schnellte mit einem kleinen Sprung auf die Füße. Dabei flatterte ihre Tunika, die etwas länger als die ihrer Schülerinnen war, und zu der sie eine Perlenbrosche trug, um ihre grünen Trikotbeine.
    «Jetzt das Ganze hintereinander — eine durchgehende, schnelle Ausdrucksstudie von der Verzweiflung bis zur Ekstase, verstanden?» Ihre Munterkeit fand wenig Widerhall, von Myrtle Drew abgesehen, die mit verschlungenen Händen und angehaltenem Atem nur auf eine weitere Gelegenheit wartete, ihr Genie zur Schau zu stellen.
    «Köpfe senken — anfangen!» Miß Dallas trieb sie mit aufmunternden Worten an und klatschte lebhaft in die Hände, um den Wechsel der Gemütsbewegungen anzugeben. Um den Mund ein tapferes Lächeln, betrachtete sie ungerührt die Wahnsinnsszene, die sich vor ihren Augen abspielte. Diese irre Darbietung wurde mehrmals wiederholt, jeweils mit einer Pause dazwischen, damit Miß Dallas Kritik üben konnte: «Middleton, Ihre gefällt mir nicht. Ihre war wundervoll, Drew. Machen Sie es den anderen noch mal vor. Meine Damen, bitte drehen Sie sich um und beobachten Sie, wie Drew die bringt. Shannon, Sie müssen mehr Ausdruck hineinlegen, ich kann bei Ihnen die nicht von unterscheiden.»
    Dann rappelten sich alle auf und stellten sich auf die Füße, ihre Trikots waren an den Knien verbeult und dreckig. Anschließend mußten sie zehn Minuten mit einer Tüte voller Bohnen auf dem Kopf durch den Raum marschieren. Das war sehr einfach, und man konnte sich, ohne den Mund zu bewegen, mit dem Mädchen vor oder hinter einem unterhalten. Miß Dallas’ schrille Zurufe übertönten alles.
    «Und dafür bezahlen wir zwanzig Guineas pro Semester», flüsterte Mary Angela zu, die mit ihren schönen, langen Beinen vor ihr herging. «Wir hatten ja keine Ahnung, was uns hier blüht.»
    «Wenn wir dadurch zum Theater kommen, hat sich’s trotzdem gelohnt.»
    «Ja, wenn. Ich verliere allmählich den Mut. Diese Trikots allein genügen schon, um jeden Ehrgeiz zu ersticken. Außerdem kann ich gleich nach dem Frühstück überhaupt nicht spielen und schon gar nicht Ekstase ausdrücken. Bei dir ist das was anderes, du kannst was.»
    «Stimmt ja gar nicht, ich bin furchtbar — — —»
    «Na, na, na, Shaw! Hier wird gearbeitet und nicht geschwatzt. Wie wollen Sie je Theater spielen, wenn Sie noch nicht mal über die Bühne gehen können.» Miß Dallas klatschte in die Hände, hüpfte in Grundstellung und sagte: «In einer Reihe aufstellen zur Einzeldarstellung.» Das war nun das Allerschlimmste. Die Schülerinnen standen flüsternd in einer Reihe an der Wand, und jede von ihnen mußte in die Mitte des Raumes treten und mit stummer Gebärde das ausdrücken, was Miß Dallas mit ihrer absonderlichen Phantasie gerade einfiel.
    Die erste — ein seltsames Wesen namens Muriel Willoughby mit wilden Haaren und spindeldürren Beinen — sollte den Geist des Frühlings darstellen. Als eine Verkörperung von Don Quichote wäre es eine ausgezeichnete Leistung gewesen. Aber man konnte nicht darüber lachen. Es war alles so kläglich und peinlich und führte einem nur allzu deutlich vor Augen, wie man selbst aussehen würde.
    Myrtle Drew hatte großen Erfolg als Schäferin, die bei Sonnenuntergang in einen stillen Teich blickt. Miß Dallas klatschte Beifall, sagte «großartig», und Myrtle sah ihren Namen bereits in Leuchtbuchstaben erstrahlen.
    Mary wurde ganz kalt vor Angst, als ihr Auftritt immer näher heranrückte.
    Sie beobachtete, wie Angela, deren leuchtend kupferrotes Haar eine einzige Lockenpracht war, seelenruhig in die Mitte des Raumes schlenderte, dort eine Leiche entdeckte und vor Schreck zusammenbrach. Kein Zweifel, dachte Mary neidisch, sie war gut.
    «So, Shannon», sagte Miß Dallas, die nicht viel von Mary hielt, aber dafür bezahlt wurde, daß sie von allen gleichmäßig begeistert war. «Nun zeigen Sie uns mal, was Sie aus

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