Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
de Beauséjour, wie er sich nennt – wie kann man nur einen so langen Namen haben –, hat mir unmissverständlich klargemacht, dass Rom von mir verlangt, lückenlos über die Herkunft meines Vermögens Auskunft zu geben. Aber wie soll ich das tun? Kannst du mir das sagen?“
„Wie hast du dich bislang verhalten?"
„Nun, ich habe mich verschiedentlich krank gemeldet, bin einfach nicht zum Rapport erschienen. Dann wurden die Drohungen Beauséjours immer heftiger. So habe ich mich doch hingesetzt und über Wochen hinweg eine Aufstellung nach der anderen konstruiert, in der am Ende die Einnahmen mit den Ausgaben übereinstimmen, so wie es sich vom Kaufmännischen her gehört. Du kannst mir glauben, dass ich dabei von meinem ganzen Einfallsreichtum Gebrauch gemacht habe. Bestimmt habe ich hundert Entwürfe wieder verworfen! Aus der Not heraus habe ich zahlreiche anonyme Spender erfunden. Jedoch kann niemand, auch nicht Rom, mich zwingen, ihre Namen preiszugeben. Auf der anderen Seite machen mich natürlich gerade diese Spender mehr als verdächtig. Warum sollten wohlhabende Leute mir ohne Quittung – und überhaupt – so viel Geld zukommen lassen? Aber was sollte ich tun? Mein Erbe und das meines Bruders habe ich natürlich ebenfalls hineingerechnet, wobei ich zwei Nullen angehängt habe, an die ursprünglichen Beträge. Mit meinem Bruder bin ich seitdem völlig zerstritten.“
„Mit dem Jesuiten? Guter Gott!“ hörte ich Boudet stöhnen. „Warum denn das?“
„Nun, ich habe von ihm verlangt, dass er mir eine entsprechend Bestätigung schreibt, was der Feigling entrüstet abgelehnt hat! Er kann eben nicht über seinen Schatten springen, wie du schon sagst, er ist ein Jesuit! Dann habe ich vorgegeben, einen Teil meiner Möbel veräußert zu haben, um den Turm mit diesem Erlös zu bauen – die wertvollsten Möbel natürlich, danach die Fayencen, Statuen, das gute Porzellan, den Brokat, ja sogar meinen geliebten Bordeaux. Letzten Endes ging aber die Rechnung nur deshalb auf, weil ich Marie zu meiner Erbin eingesetzt habe. Die Grundstücke, auf denen sich die Villa, die Gärten und der Turm befinden, habe ich ja in weiser Voraussicht von allem Anfang an ihr überschrieben, damit sie nicht eines Tages Rom in die Hände fallen. Und nun ist sie eben meine Universalerbin – und ich bin gewissermaßen pleite, auf dem Papier, versteht sich! O welch ein Drama, Sacre“, fluchte Bérenger.
„Saunière! Mäßige dich! Ein Außenstehender würde zu dem Ganzen sagen: ´Gottes Mühlen mahlen langsam!`! Du hast dir wirklich die meisten deiner Schwierigkeiten selbst zuzuschreiben, weil du den Hals nicht genug vollbekommen hast. Auf welche Gesamtsumme bist du nun letztendlich gekommen?“ fragte Boudet ziemlich aufgeregt.
„Ich habe mein Bestes getan, das kannst du mir glauben! Die Summe muss aber noch immer mehr als horrend aussehen in den Augen Roms und Beausejours. Sie beläuft sich auf ...“
Bérenger schien die Summe Boudet ins Ohr zu flüstern, denn ich konnte nichts verstehen.
„Saunière! Das ist unmöglich!“ rief Boudet aufgebracht.
„Was willst du? Unter diesem Betrag konnte ich keinesfalls bleiben, weil ich ja die Rechnungen der Handwerker vorlegen musste!“
Boudet stöhnte. „Das kann nicht gutgehen, mein Freund, niemals! Hat man dir schon geschrieben deswegen?“
„Die letzte Nachricht lautete, dass man eine bischöfliche Kommission einzusetzen gedenkt, um alles genauestens zu überprüfen“, sagte Bérenger beinahe tonlos, dann plötzlich laut: „Schachmatt!“
„O Merde“, fluchte jetzt auch Boudet, was ziemlich überraschend war, weil er sich – im Gegensatz zu Bérenger – beim Fluchen meist an das Ersatzwort „Gambronne“ hielt, das seit der Schlacht von Waterloo in ganz Frankreich salonfähig ist. Gambronne, der Befehlshaber der Alten Garde Napoleons, hatte seinerzeit lauthals das Wort mit den fünf Buchstaben gebrüllt, nämlich „Merde“, um seinem Ärger und seiner Wut über die Niederlage Luft zu machen.
Gambronne. Dem war nichts hinzuzufügen, dachte ich, als ich anklopfte und eintrat, um endlich den Pastis zu servieren.
Boudet sagte gerade: „ Mors certa, hora incerta – der Tod ist gewiss, die Stunde nicht.”
„Marie, es ist an der Zeit, dass ich dir reinen Wein einschenke“, sagte Bérenger ungefähr drei Wochen nach dem Besuch von Boudet. Wir hatten nach dem Essen noch ein wenig beieinander gesessen und gelesen. Ich ahnte sogleich, dass seine Worte mit einem
Weitere Kostenlose Bücher