Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
Vom Netzwerk:
hat absolut nichts mit dir zu tun. Bring ein wenig Geduld auf. Weißt du, ich habe nächtelang kaum geschlafen und obendrein beträchtliche Mühe, mit Gélis` Tod und einer anderen Angelegenheit fertig zu werden, die auch nicht gerade einfach ist.“
    Ich war mir sicher, dass sich „die andere Angelegenheit“ nur auf jenes schreckliche Geheimnis, dem Gélis zum Opfer gefallen war, beziehen konnte. Behutsam machte ich einen allerletzten Versuch, Bérenger zum Reden zu bringen.
    „Willst du dich mir nicht doch anvertrauen, Liebster? Über belastende Dinge zu reden, erleichtert die Seele. Das weißt du als Priester doch am besten, oder? Und dass ich keine Schwätzerin bin, das weißt du auch.“
    Bérenger lächelte nachsichtig. „Ja, natürlich, Marie. Es ist ja beileibe nicht so, dass ich dir nicht vertrauen würde. Im Gegenteil. Dennoch – ich kann und darf nicht darüber sprechen. Wir haben es uns geschworen.“
    „Pah!“ brach es aus mir heraus. „Geschworen! Didier musste sein Leben wegen dieses Geheimnisses lassen und Gélis ebenfalls! Hat man eigentlich inzwischen etwas herausbekommen? Ist der Mörder gefasst?“
    Bérenger schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe nur erfahren, was auf dem Zigarettenpapier stand: Viva Angelina! Absolut mysteriös – aber Raucher, die dieses Papier benutzen, scheint es wie Sand am Meer zu geben!“
    Nun, Bérenger rauchte auch bisweilen.
    „Aber was ist, wenn man auch dich und Boudet ermordet? Dann ist euer verfluchtes Geheimnis überhaupt nichts mehr wert, und all eure Mühe war nur Zeitvergeudung!“
    „Sei auf der Stelle still, Marie! Das verfluchte Geheimnis, wie du es nennst, ist in meiner Kirche verborgen, und in Boudets Buch, außerdem weiß jemand in Paris darüber Bescheid und jemand in London – sollte man uns tatsächlich nach dem Leben trachten. Wir haben uns abgesichert, glaube mir. Über meine Lippen jedoch kommt keine Silbe. Das ist mein letztes Wort, und ich bitte dich zum wiederholten Mal, das zu akzeptieren und nicht weiter in mich zu dringen!“
    Ich schwieg resigniert. Seine Kirche! Ich kenne sie genau, die „Veränderungen“ und „Verbesserungen“, die Bérenger dort hatte vornehmen lassen. Terribilis est locus iste – „Dieser Ort ist schrecklich“ steht seit kurzem in Stein gemeißelt über dem Portal, und auf der Arkade des Portalvorbaus: „Mein Haus soll ein Bethaus heißen, ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht“.
    Ich bin lange nicht so einfältig wie die übrigen Schäfchen im Ort. Seine fadenscheinigen Erklärungen bei der abschließenden Führung des Gemeinderates in bestimmendem Tonfall vorgetragen, waren auf den ersten Blick harmlos-fromm – also durchaus bibelkonform - gewesen. Einer einzigen irritierten Nachfrage von Seiten Claire Magnols, die seit zwei Jahren – zwar eigenwillig, aber dennoch brav – das Harmonium spielte, war er sofort mit den Worten begegnet: „Unsere Kirchen, Mademoiselle Claire, sind der geheimnisvolle Ort Bethel, von dem Jacob einst gesprochen hat: ´Wie furchtbar ist dieser Ort! Hier ist nichts anderes, denn Gottes Haus und die Pforte des Himmels.`“
    Die langnasige Claire mit ihren weißen Spinnenfingern hatte bei seiner Antwort zuerst geschluckt, dann ein wenig säuerlich gelächelt – ganz hatte er sie wohl nicht überzeugt. Alle anderen aber hatten eifrig genickt. Von diesem Zeitpunkt an hatte niemand mehr im Ort Zweifel vorgebracht, nicht einmal der bibelfeste Caclar. Bérenger hatte in einem fort geredet, angebliche Hintergründe und Motive weitschweifig erklärt und, bevor es jemand anderer tun konnte, selbst auf offensichtliche Widersprüche hingewiesen. Auch wenn ich die drei Priester seinerzeit nicht belauscht hätte, hätte ich sofort gemerkt, dass der Kreuzweg, den er für teures Geld hat anbringen lassen, keineswegs der Passion Christi im Evangelium entspricht. Dafür bin ich schon zu lange seine „Bediente“ – wie der Notar es formuliert hat in seinem Testament. Die Magd eines Priesters zu sein, hat zwar nicht zwangsläufig zur Folge, dass sie am Ende ihres Lebens ebenso klug ist wie ihr Herr und Meister. Aber einiges bleibt wohl hängen.
    Der Kreuzweg. Jeder einzelnen dieser fünfzehn wertvollen, vielfarbigen und goldgerahmten Tafeln, die ein Künstler nach seinen Anweisungen gemalt hat, hat Bérenger ein seltsames Element hinzufügen lassen, das eigentlich nicht dazugehört. Einmal passt der Kopf nicht so recht auf den Hals, ein anderes Mal fehlt ein Stück einer Hand.

Weitere Kostenlose Bücher