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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Ein Würfel, mit dem die Soldaten um den Rock Jesu spielen, zeigt eine Drei und eine vier, was in der dargestellten Konstellation ganz einfach unmöglich ist; ein anderer zeigt eine Fünf. Pilatus hat feuerrote Haare und trägt einen Schleier. Auch auf anderen Bildern entdeckt man durchsichtige Schleier, die dort überhaupt nichts zu suchen haben. Ein Kind ist in karierten Schottenstoff gekleidet, und so weiter und so fort. Obendrein wurden die Tafeln (dies auf Boudets Veranlassung) genau umgekehrt zur üblichen Reihenfolge angebracht.
    Das wenigstens hätte der Gemeinderat bemerken müssen.
    Als ich Bérenger abends nach dem Rundgang danach fragte, hatte er nur geschmunzelt und gesagt: „Guter Gott! Dir entgeht aber auch nichts, Marie! Du steckst dein vorwitziges Näschen in Dinge, die dich nichts angehen. Aber, weil du als einzige im ganzen Dorf so schlau warst, es zu bemerken, sollst du wenigstens die Kernaussage dieses Kreuzweges wissen. Sie heißt: ´Es gibt keine ewig gültige Wahrheit.`“
    Mit diesen Worten hatte er mich stehenlassen und war zu Bett gegangen.

    Kurz vor Weihnachten kam Boudet von seiner „langen Reise“ zurück und sein erster Weg führte ihn hinauf zu uns.
    „Guten Tag, Marie!“ Er steckte unerwartet leutselig die Nase in die Küche und klopfte sich zugleich die Stiefel ab, die voller Schnee waren. „Gelobt sei Jesus Christus! Ich bin wieder im Lande! Ist mein Kollege da?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, polterte er herein und nahm seine stark geschliffenen, runden Augengläser ab, die sich (wegen des Temperaturunterschiedes) beschlagen hatten. Er putzte sie ausgiebig mit seinem Taschentuch. Ohne Brille sah er aus wie ein unschuldiges Kaninchen.
    „Ja, er ist da, Hochwürden, ich hole ihn sofort. Übrigens, herzlich willkommen in der Heimat! Wo haben Sie denn so lange gesteckt?“
    Boudet seufzte. „Ach, mal hier, mal dort, Marie! Ich war gesundheitlich nicht mehr so recht auf der Höhe und habe mich deswegen in wechselnden Sanatorien aufgehalten. In den letzten Monaten war ich in Biarritz, wo ich mich der rauen Atlantikluft wegen wirklich sehr gut erholt habe. Außerordentlich gut, in der Tat.“
    Bérenger platzte herein, über das ganze Gesicht strahlend. „Ja, wen haben wir denn da? Unseren fahnenflüchtigen Kollegen aus Rennes-les-Bains?“
    „Von wegen fahnenflüchtig! Gerade habe ich der Marie erzählt, wie schlecht es mir ging, in den Wochen vor meiner Abreise!“ protestierte Boudet und strich sich demonstrativ über seine Schläfen. „Es war höchste Zeit, alles stehen und liegen zu lassen und einmal nur an sich selbst zu denken und nicht an das Amt!“
    Boudet war ein so perfekter Lügner, dass man den Eindruck gewann, er glaubte selbst an seine Geschichte.
    „Und wie geht es dir, Bérenger? Mich dünkt, du siehst auch ein wenig überarbeitet aus? Oder bist du nur übernächtigt?“
    Bérenger lachte immer noch spitzbübisch, und seine Augen strahlten. Weshalb nur freute er sich so, Boudet wieder in seiner Nähe zu wissen?
    „Nein, nein, Jean-Jacques-Henry!“ wiegelte er ab. „Mir geht es ausgezeichnet, wenngleich ich im diesem Jahr einen Großteil deiner Arbeit übernehmen musste. Dein Vertreter ist nämlich ebenfalls krank geworden, die Leber ... Bleibst du zum Dîner und über Nacht?“
    „Ja, gern, wenn ich eingeladen werde?“ Jetzt strahlte Boudet regelrecht. „Marie, ich hoffe es macht dir keine Mühe, einen unangemeldeten Gast zu bewirten?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Wenn Sie sich mit geschmorten Schweinsfüßen und dicken, süß-sauren Feuerbohnen zufriedengeben, Hochwürden, so ist alles in gut zwei Stunden fertig. Ihr Gästezimmer ist frei. Soll ich Ihnen heute Abend einen heißen Backstein ins Bett legen?
    „Ausgezeichnet! Einen heißen Stein, ja, natürlich“, antwortete statt seiner Bérenger. „In der Zwischenzeit können wir reden. Lass deinen Paletot an, damit du nicht gleich wieder krank wirst, und folge mir in den Turm hinauf. Die Bibliothek ist geheizt, und dort sind wir ungestört.“ Bérenger eilte bereits zur Hintertür.
    Boudet zwinkerte mir keck zu. Er setzte die Brille wieder auf und schlich sich dann an den Herd, um neugierig den Deckel des Topfes mit den Feuerbohnen zu lupfen. „Gib genügend Essig hinzu, Marie, hörst du? Und Knoblauch an die Füße!“ In stiller Vorfreude leckte er sich die dünnen Lippen.
    „Aber ja“, beruhigte ich ihn. „Sie sind ja ganz ausgehungert! Mir scheint, Sie haben nichts rechtes zu essen

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