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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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jeden Abend, wenn es dämmerte, den Berg hinab oder in den Wald, um mit meinem Schmerz allein zu sein.
    Ja, Bérenger Saunière und die Frauen. Hin- und hergerissen zwischen Pflichtbewusstsein und Lebenslust, Treue und Betrug, blieb mein Geliebter zeitlebens ein Sklave nicht nur seines Triebes, sondern vor allem seiner Eitelkeit. Ständiges Lavieren, immer neue Ausreden, Lügen waren die Folge. Es wäre gewiss uneinsichtig von mir, dies zu leugnen. Trotz allem konnte ich nicht anders, ich liebte diesen Mann von Herzen.

    Eines späten Nachmittags, in der fünften Woche nach Emmas Ankunft - ich hatte gerade den Kaffee in den Turm gebracht, in den sie sich wieder einmal nach dem Mittagessen zurückgezogen hatten, um ungestört miteinander zu reden –, brach über das Dorf ein großes Unglück herein.
    Nichtsahnend war ich durch den Park zur Villa zurückgelaufen, als etwas geschah, was ich zuvor nie erlebt hatte: Zuerst verstummten die Vögel, und gleich darauf hörte ich die Sturmglocke läuten. Am Weißdorn vorbei raste ich zum Kirchturm und sah Félix heftig am Seil ziehen.
    „Was ist los?“ rief ich.
    „Die Scheune der Lambers brennt, Mademoiselle!“ schrie er zurück, ohne mit dem Läuten aufzuhören. Ich machte kehrt, um Bérenger zu holen. Doch er hatte die Glocke bereits gehört und kam mir mit wehendem Rock entgegengerannt.
    Gemeinsam rannten wir zum Hof dieser weniger gut betuchten, aber sehr braven Bauersleute, der sich auf der anderen Seite des Berges befindet. Beißender Qualm kam uns entgegen. Als wir ankamen, sahen wir, dass die Scheune bereits in hellen Flammen stand und dass auch das danebenstehende alte Bürgermeisterhaus brannte. Meterhoch schossen die Feuerzungen zum Dach des windschiefen Gebäudes hinaus.
    Das halbe Dorf war auf den Beinen, die Bauern Torkain und Luc brachten in aller Eile die Kühe und einige der grässlich quiekenden Schweine in Sicherheit, auch hatte sich bereits eine Wasserkette formiert. Ich reihte mich ein, und Bérenger machte sich auf die Suche nach der Familie. Plötzlich hörten wir einen beinahe tierischen Aufschrei, offenbar von einer Frau.
    „Was ist los?“ rief ich zu Madame Foulon hinüber, die den Wassereimer gerade an den taubstummen Marais weiterreichte. Sie hustete und zuckte dann mit den Schultern.
    „Ich weiß es nicht. Die Leute sagen, es soll noch jemand drinnen sein in der Scheune!“
    „Guter Gott“, rief da Marguerite Salière, „es sind Kinder drinnen!“
    Die Schreie wurden immer lauter, übertönten die Glocke und das lodernde Feuer; und die Betroffenheit in den Gesichtern der Umstehenden wich lähmendem Entsetzen.
    Mir lief eiskalt der Schweiß den Rücken hinunter. Die Frauenstimme, ich nahm an, dass es sich um Madame Lambers handelte, fing erneut zu kreischen an. Plötzlich durchbrach eine Frau die Wasserkette, um zur Scheune zu gelangen: Henriette. Bérenger folgte ihr auf dem Fuße. Er stürzte auf sie zu und riss sie gerade noch rechtzeitig zurück, bevor ein brennender Balken vor ihren Füßen zu Boden krachte. Am liebsten hätte ich den Eimer fallen lassen, um ebenfalls zu ihr zu eilen. Doch die Kette durfte nicht unterbrochen werden, besonders wenn jemand gerettet werden sollte. Henriette war außer sich. Sie tobte und rang mit Bérenger, so dass Torkains Sohn Xavier hinzusprang, der eben erst am Unglücksort eingetroffen war. Wütend schlug Henriette weiter um sich. „Lasst mich los, Hochwürden, ich muss zu meinem Kind! Marcel ist dort drinnen! Mein Junge!“
    Bérengers starke Arme umklammerten Henriette wie ein Schraubstock.
    „Man soll ihren Mann holen, er ist nach Esperaza zum Wagner gefahren“, rief er Xavier zu. Als ich mich kurz zur Seite drehte, um einen neuen Eimer mit Wasser entgegenzunehmen, fiel mein Blick auf Madame Lambers. Ebenfalls von zwei Männern zurückgehalten, hatte sie sich auf die Knie fallen lassen und schrie mit sich überschlagender Stimme in Richtung Scheune: „Michel, halte durch! Papa kommt und holt dich raus! Sei tapfer!“ Und zu ihrem Mann, der leichenblass und vollkommen starr neben ihr stand: „Hol Michel endlich raus! Hol ihn raus, du Feigling!“
    Doch der Mann reagierte nicht, er konnte nichts mehr tun. Es war aussichtslos. Jeder sah es, jeder wusste es. Sie jedoch riss sich los und fing an zu laufen wie kurz zuvor Henriette. „Feigling!“ kreischte sie ihrem Mann zu und dann in die Runde: „Ihr seid alle Feiglinge.“ Erst vor dem Scheunentor, das bereits hellauf loderte, hielt Luc sie

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