Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
mein lieber Curé!“
„Komm, setz dich erst einmal, Emma!“ Bérenger rückte ihr einen der beiden hochlehnigen, spanischen Ledersessel zurecht und warf mir, die ich stumm und wie festgewachsen zwischen Tür und Angel stand, einen Blick zu, der wohl bedeuten sollte: Ich kann nichts dafür, liebste Marie! Geh jetzt, bitte.
Zum Déjeuner kamen sie herunter. Arm in Arm. Ich hatte mir Mühe gegeben: der Tisch war perfekt gedeckt, obwohl es nur gefüllte Wirsingrollen, Reis und zum Nachtisch gebackenen Ziegenkäse mit Preiselbeeren gab. Noch immer war ich ziemlich einsilbig. Bérenger, der meine trübe Stimmung wohl ahnte, fing an, mich zu loben. „Die Marie, musst du wissen, hat eine Menge ausgezeichneter Begabungen, worunter ihre einfallsreiche und überaus schmackhafte Zubereitung unserer Mahlzeiten nur am Rande zählt!“
„Ach?“ meinte Emma und warf mir einen – wie mir schien – misstrauischen Blick zu. „Hat sie das? Besondere Begabungen, ja?“
Bérenger nickte. „Durchaus – sie ist eine starke Frau, auf die ich mich in der schlimmen Zeit, die hinter mir liegt, stets verlassen konnte. Bitte, Marie, leg noch ein Gedeck auf, und setz dich zu uns. Du musst nicht Emmas wegen in der Küche essen!“
„Findest du eine solche Fraternisierung mit dem Personal angebracht?“
„Personal, bah! Wenn Marie an allen anderen Tagen an meiner Seite isst, so hat sie auch das Recht dazu, wenn du unser Gast bist, Emma“, sagte Bérenger höflich, aber bestimmt, was mich mit Genugtuung erfüllte.
Dennoch handelte er unklug, weil ich nun von einer Sekunde zur anderen gewissermaßen zu Emmas Rivalin wurde. Sie war nicht schockiert, eher überrascht. Ihre Augen wanderten von ihm zu mir. Man sah ihr an, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt nichts von unserer Beziehung gewusst hatte. Ihr Mund verzog sich spöttisch. Akkurat legte sie ihr Besteck ab und sagte kühl: „Mich dünkt, ich bin zu einem unpassenden Zeitpunkt nach Rennes-le-Château gekommen. Bitte trag es mir nicht nach, Bérenger, mein Besuch geschah nur, weil ich mir große Sorgen um dich gemacht habe, als ich in Paris erfuhr, dass Rom dich suspendiert hat.“
„Selbstverständlich, Emma, lass es gut sein.“ Bérenger klopfte ihr begütigend die Hand. „Du bist hier doch jederzeit ein gern gesehener Gast. Ich wollte dir nur deutlich machen, dass Marie mehr ist für mich als eine Bedienstete. Sie kocht für uns, betreut meine Gäste und hält mit Hilfe der braven Henriette alles hier in Ordnung, zugleich ist sie aber auch meine Vertraute in fast allen Angelegenheiten. Das wirst du gewiss respektieren können, nicht wahr, meine Liebe?“
Emma kniff die Augen zusammen und verzog dabei wieder spöttisch den Mund.
„Natürlich kann ich das respektieren“, sagte sie spitz und dann zu mir gewandt: „Nur bitte ich dich herzlich, liebe Marie, dass du mir erlaubst, mit Bérenger in den nächsten Tagen ein oder zwei intime Gespräche zu führen. Ich meine damit Gespräche unter vier Augen , nichts weiter. Denn das, was ich ihm zu sagen habe, respektive zu fragen, ist sehr ... tja, es ist überaus persönlich. Versteh mich bitte nicht falsch, Bérenger, aber es gibt Dinge, die gehen nur uns beide etwas an, nicht wahr?“
Bei ihren letzten Worten hatte Emma Bérenger überaus liebevoll angesehen und begonnen, seine Hand zu streicheln. Bérenger wurde krebsrot im Gesicht. Ich sah, wie er sich nur mühsam beherrschte. Doch gerade das brachte mich wieder zur Besinnung. Emma hatte soeben einen großen Fehler begangen. Besitzergreifendes Verhalten konnte Bérenger auf den Tod nicht ausstehen.
Innerlich frohlockte ich. Beherrscht und mit leiser Stimme sagte ich zu ihr: „Madame, selbstverständlich lasse ich Sie mit Monsieur Saunière alleine, wenn Sie das wünschen. Jederzeit.“
Dann stand ich auf, räumte zügig, aber nicht übermäßig eilig, den Tisch ab, servierte im Anschluss daran einen Chartreuse für Monsieur und einen starken Mokka für die Sängerin und verkroch mich zuletzt in meine Küche – wo neben Bergen schmutzigen Geschirrs das heulende Elend auf mich wartete.
Wie gut, dass Henriette an diesem Tag nicht da war.
Bérenger konnte sich wie immer nicht entscheiden. In den darauffolgenden Wochen kreuzte er ständig gegen den Wind. Seiner Entschlusslosigkeit wegen und weil Emma ganz und gar nicht daran dachte, sich geschlagen zu geben und wieder abzureisen, baute sich nach und nach eine gereizte Atmosphäre auf. Ich war todunglücklich und lief
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