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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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wartete ab, bis ich mich beruhigt hatte. Wir tranken zusammen ein Gläschen Sauerkirschlikör, und ich revanchierte mich, indem ich ihr zwei meiner teuren, jedoch kaum getragenen Seidenblusen einpackte und ihrem Mann drei Flaschen von Bérengers Bordeaux, die er sicher nicht vermissen würde.
    Zum Abschluss des Festdîners überraschte ich Bérenger mit seiner geliebten Creme bruleé . Doch vergebliche Liebesmüh! Ihm fehlte augenscheinlich ebenso der Appetit wie mir. Mehr oder weniger wortlos saßen wir uns beim Essen gegenüber. Bérenger trug einen neuen anthrazitfarbenen Rock, der ihm ausgezeichnet stand – er war ein wenig schlanker geworden –, und ich ein weinrotes Seidencomplet. Gedankenverloren nippten wir am Champagner und stocherten ein wenig auf unseren Tellern herum.
    Nach der Mitternachtsmesse setzten wir uns in den mit Tannen- und Stechpalmenzweigen geschmückten Salon. Seit Stunden stürmte und schneite es draußen. Bérengers neuer Hund, ein elegantes Windspiel namens Harpalos (nach des Tempelritters Hund benannt), lag zufrieden vor dem Kamin. Die dicke goldverzierte Kerze, die auf dem Tisch stand, warf unruhige Schatten an die Wände. Früher wäre dies genau die Stimmung gewesen, in der wir beide uns wohlgefühlt hätten. Knisterndes Kaminfeuer, mildes Kerzenlicht, Tannenduft, gutes Essen, der Hund, all das hätte uns angeregt zu langen Gesprächen über Gott und die Welt – der Champagner vielleicht zu anderem ...
    Heute aber beklagte sich Bérenger nur bitter über die vielen leeren Kirchenbänke in der letzten Zeit. „Noch nie hatte ich in der Christmette so wenige Schäflein in der Kirche, selbst der Beichtstuhl ist meist leer, und das liegt nicht nur daran, dass sich so viele Männer im Krieg befinden. Sind die Menschen von Rennes nicht mehr am Wort Gottes interessiert oder meiner am Ende überdrüssig geworden?“
    Was hatte er an dieser Stelle von mir hören wollen? Etwas Beruhigendes vielleicht, wie: Du solltest wirklich langsam in Erwägung ziehen, dich zur Ruhe zu setzen, bist abgearbeitet und eigentlich auch schon viel zu lange im Amt. Argentinien wäre bestimmt das richtige Land für dich, um dich wieder gründlich zu erholen, oder? dachte ich aufsässig.
    „Es sollen einige stark erkältet sein“, sagte ich statt dessen, „die Schwestern Raynod zum Beispiel und der alte Talut ... Madame Mouline ...“
    „Nein, nein – das ist es nicht alleine, Marie“, unterbrach er mich und zog resigniert die Schultern hoch. „Machen wir uns nichts vor. Es hat andere Gründe ... Ich mag aber jetzt nicht endlos darüber räsonieren, was Rom und wir Priester versäumt oder schlecht gemacht haben. Des bin ich müde geworden. So wie es höchst unterschiedliche Menschen gibt, so hat eben auch die Kirche ihre unterschiedlichen Seiten. Nicht nur schlechte. Das darfst du nie vergessen, Marie! Eines aber hat schon der Tempelritter, jener Blanchefort, ganz richtig erkannt: Ein hohes Amt verändert den Menschen, auch denjenigen, der sich – ex cathedra zwar – als unfehlbar ansieht. Mit den Katharern war sich Blanchefort kurz vor seinem Tod einig, und ich möchte ihm heute, beinahe siebenhundert Jahren später, voll und ganz recht geben, obgleich ich mich selbstredend nicht zu den Ketzern zähle: Gott steht nicht auf seiten derer, die sich anmaßen, von höchster Stelle – also von Ihm selbst – eingesetzt worden zu sein und sich aus diesem Grunde zum Richter über die ganze Menschheit aufschwingen. Ja“, Bérenger nickte nachdenklich, „ich denke, es gibt viel zu viele Richter in unserer Kirche – und zu wenig Liebe! Zu wenig Liebe ...“
    Als ich ihm nachschenken wollte und dabei inständig hoffte, dass er den letzten Punkt mit mir zusammen vertiefen würde, heute am Weihnachtsabend, lehnte er jedoch ab und erhob sich rasch.
    „Danke Marie, keinen Champagner mehr für mich! Ich weiß, du meinst es gut mit mir, aber ich fühle mich wirklich nicht besonders wohl. Einen Liebesdienst könntest du mir aber noch erweisen, indem du mir auf die Nacht eine Kanne von deinem berühmt-berüchtigten Kräutertee in die Bibliothek stellst! Oder macht dir das zu viel Mühe?“
    „Natürlich nicht“, antwortete ich überrascht und musterte ihn aufmerksam. Am Weihnachtsabend war ihm nach Kräutertee zumute? Weder nach Bordeaux noch nach Rum? Was war mit ihm los? Zugegeben, ein wenig blass war er schon – und wieder diese dunklen, fast blauen Lippen. Seltsam.
    „Liegt dir das Essen zu schwer im Magen? War

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