Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
den Sarg angeht, so habe ich ihn danach gefragt, doch der Abbé hat nur geheimnisvoll mit dem Kopf geschüttelt. ´Bestell ihn einfach für den 17. Januar`, hat er zu mir gesagt und dass niemand davon wissen soll. Und jetzt bin ich hier. Bitte nehmen Sie den Auftrag an, ich bin ein wenig in Eile.“
„Natürlich, Mademoiselle. Stets Ihr Diener! Aber es ist doch seltsam, der alte Saunière ... tz, tz, tz. Ich habe immer geglaubt, dass er sich einer eisernen Gesundheit erfreuen würde, wirklich! So kann man sich täuschen! Tz, tz ...“
Ich zuckte mit den Schultern und schwieg. Der Schreiner fing an, in einer Schublade nach dem Auftragsbuch zu kramen. Als er es endlich gefunden hatte, blätterte er umständlich Seite für Seite durch, wobei er jedes Mal seinen Zeigefinger anfeuchtete, bis er beim letzten halbbeschriebenen Blatt angelangt war. Dann nahm er sich meinen Zettel vor und notierte mit schwerfälliger Hand die Daten.
„So, so, aus bestem Eichenholz soll er sein. Vergoldete Beschläge. Seltsam!“
Champagne sah hoch. „Er hat schon einmal einen solchen Sarg bestellt, Mademoiselle, ich erinnere mich genau. Auch damals wusste keiner, für wen die wertvolle Kiste bestimmt war. Nun, ja, wenn sich einer in der heutigen Zeit goldene Beschläge leisten kann! Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Sagen Sie dem Abbé, Mademoiselle, der Auftrag ginge in Ordnung. Am 17. Januar liefere ich den Sarg, so zuverlässig, wie man es von mir gewohnt ist.“
„Nein, nein“, wehrte ich erschrocken ab. „Er soll auf keinen Fall geliefert werden. Der Abbé hat gesagt, sobald er ihn braucht, würde er Bescheid geben. Er muss nur fix und fertig sein zu diesem Termin, das wäre die Bedingung. Und ich soll ihn sofort bezahlen, bar.“
Christian Champagne war sichtlich irritiert. Sein Mund stand jetzt noch ein Stück weiter offen als zuvor. „Also, das ist doch wirklich die mysteriöseste Geschichte, die mir seit langem passiert ist. Es liegt keiner am Sterben in Rennes, ich selbst weiß von keinem einzigen Todkranken in der näheren Umgebung – aber für den 17. Jänner soll auf Abruf ein Sarg bereitstehen, der noch dazu sofort beglichen wird. Da brate mir doch einer einen Storch! Was will der Abbé an diesem Tag mit der edlen Kiste anfangen?“
„Tja, da kann ich Ihnen nichts sagen!“
Schließlich begleitete mich der Schreiner, der, seinem strahlenden Gesicht nach zu urteilen, heute das Geschäft des Jahres gemacht hatte (der Sarg hat mich eine immense Summe gekostet), noch zur Tür, bedankte sich höflich, trug mir sogar auf, dem Abbé Gottes Segen und beste, wirklich allerbeste Gesundheit für das neue Jahr zu übermitteln und meinte zum Schluss, dass die ganze Welt sich wünschen würde, dass bald Friede würde auf Erden.
Ich nickte ihm freundlich zu. Auf dem Heimweg dachte ich bei mir, dass jeder Mensch irgendwann seinen eigenen Frieden machen musste, einmal mit der Welt und zum anderen mit sich selbst.
Am 12., am 13. und am 14. Januar bereitete ich Bérenger jeden Abend eine Kanne voll Kräutertee, und jeden Morgen hatte er sie brav ausgetrunken.
„Er bekommt mir ausgezeichnet, Marie“, lobte er mich, „ ich fühle mich schon viel besser. Bald wird es mir so gut gehen, dass ich reisen kann. Ja, ich denke, am 17. werde ich abfahren. Wenn du es dir nur auch überlegen würdest ...“
Ich sah zu Boden und schwieg.
Am 15. Januar fing er an zu packen. Wenige Sachen nur – keine Bücher, keine Bilder. Einzig zwei Handkoffer und eine Reisetasche gedachte er mitzunehmen, ein paar Hemden, etliche Kragen, Wäsche – also nur das Notwendigste, keine Soutane. All das, was ihm fehlte, würde er sich in „Paris“ kaufen. Geld sei ja genug vorhanden auf den verschiedenen Konten, und gerade in diesen Zeiten müsse man auch daran denken, die Geschäftsleute in der Stadt zu unterstützen, die etliche trübe Jahre hinter sich hätten und sicher nicht alle zu den Kriegsgewinnlern zu zählen seien. Vielen ginge es nämlich ausgesprochen schlecht, wenn man den Freunden Glauben schenken wolle, erklärte mir Bérenger.
Am letzten Abend vor seiner Abreise, also am 16. Januar, brachte ich ihm meinen Liebestrank, jene obligatorische Kanne Tee, die ihm, nach eigener Aussage so gut tat. Melisse, Fenchel, Anis, Kamille, Kümmel, Salbei, alle sechs Kräutlein selbst gezogen oder gesammelt und gewissenhaft auf dem Dachboden getrocknet ... und als besondere Zugabe Ilex aquifolium , Stechpalme. Ich stellte die Kanne wie üblich
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