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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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nachfolgt, über die ich übrigens zu keiner Zeit Schlechtes gesagt oder gedacht habe. Im Gegenteil. Was aber das ´Sehen` angeht, auf das Ihr Euch so versteift, lieber Kollege, so gebe ich zu bedenken, dass Gott wohl nur durch Gott gesehen werden kann. Wenn die Frauen und die Jünger jemanden gesehen haben, was ich nicht abstreiten will, so war es ein Mensch aus Fleisch und Blut. Genügt Euch diese Erklärung?“
    Wieder schüttelte Rivière unwillig das Haupt.
    „Gut. Ich will Euch im Augenblick nichts weiter ans Herz legen als nur das eine: Lasst seine Gebeine in Frieden ruhen in Rennes. Versucht für Euch selbst, zwischen dem Jesus der Geschichte und dem Christus des Glaubens einen Unterschied zu machen – das gilt übrigens auch ganz besonders für dich, Marie. Mit dir will ich später noch ein paar Worte darüber reden, wenn ich mich ein wenig ausgeruht habe und mir der Herrgott noch Zeit dafür lässt. Vergesst beide nach meinem Tod die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich, und verhaltet euch wie immer. Rom will es so. Ich will es so. Amen.“
    Am Ende seiner Beichte war Bérengers Stimme fast zu einem Flüstern geworden. Meine Angst wuchs. Ging es schon jetzt zu Ende mit ihm? ... Nein, noch gab er nicht auf. Er hob sogar ein wenig den Kopf und sagte unter Aufbietung aller ihm zur Verfügung stehenden Kräfte: „Könnt Ihr die Sache nicht aus Eurem Kopf verdrängen, mein lieber Rivière, so wird Euch dieses nicht alltägliche Beichtgeheimnis wohl oder übel bis an Euer Lebensende begleiten müssen. Möglicherweise wird es Euch zum einsamsten Menschen auf der ganzen Welt machen, weil Ihr ja mit niemandem darüber reden dürft. Aber ich kann das nicht ändern. Ich konnte Euch nicht schonen, denn ich will nicht am Ende meines Lebens mit einer Lüge dastehen. Wollt Ihr mir nun die Letzte Ölung geben?“
    Rivière saß einige Sekunden völlig regungslos vor Bérengers Krankenlager. Dann schüttelte er heftig den Kopf. „Nein!“ stieß er hervor. „Nein! Auf keinen Fall. Ich kann Euch nicht lösen.“ Hastig stand er auf, blieb mit dem rechten Stiefel im Saum seiner Soutane hängen. Es gab einen hässlichen Ton, als der Stoff riss. Beim anschließenden, ziemlich ungeschickten Versuch, sich zu befreien, brachte er auch noch den spanischen Stuhl zu Fall. Er ließ ihn liegen, wo er hingefallen war, drehte sich vielmehr mit kreidebleichem Gesicht zu mir um und sagte: „Bei allen Heiligen, Mademoiselle, ist er verrückt geworden, verrückt ... oder ist er ein Ketzer?“
    Ich warf einen kurzen Blick auf Bérenger und sah, dass er zustimmend nickte.
    Da nickte auch ich. „Ja, Monsieur le Curè – ein Ketzer und wohl auch verrückt. Leider“, sagte ich traurig und senkte meinen Blick.
    Da wandte sich Rivière, in seiner Einschätzung von mir bestätigt, noch einmal zu Bérenger um: „Ich verweigere dir die Letzte Ölung, Bérenger Saunière, sowie die Absolution! Der Herr erbarme sich deiner unwürdigen Seele!“
    Mit diesen Worten raffte er entschlossen seine wenigen Habseligkeiten zusammen, stürzte zum Turm hinaus, und als ich die Tür hinter ihm schloss, sah ich, wie er mit wehender, halb zerrissener Soutane den Berg hinabschlitterte.

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    „Wir sehen uns nicht mehr im gleichen Licht,
    wir haben nicht mehr gleiche Augen, gleiche Hände ...“
    Yves Bonnefoy , La lumière, changée

    Bérenger keuchte, als ich zu ihm trat. „Verrückt und ein Ketzer! – Das war es, Marie, was ich von dir hören wollte. Du hast gut reagiert. Tüchtiges Mädchen! Aber das bin ich von dir gewohnt. Deine Worte geben dir die Sicherheit, die du brauchst. Sie werden dich zufriedenlassen nach meinem Tod. Rivière wird dem Bischof zwar gewissenhaft melden, dass er mir, einem Ketzer, die Letzte Ölung verweigert hat, die entscheidenden Dinge kann er ihm aber nicht erzählen, weil er das Beichtgeheimnis achten muss. Und er ist in dieser Hinsicht sehr gewissenhaft, der junge Herr Kollege, sonst müsste ich mich schwer in ihm täuschen. Die Kurie“ – Bérenger lächelte weise – „wird Rivières Einschätzung, meinen ketzerischen Irrsinn betreffend, mächtig freuen. Mit einem verrückt gewordenen Priester, der auf dem Sterbebett häretische Sachen hervorstößt, könnte man vieles erklären, was sich hier heroben abgespielt hat, in den letzten Jahrzehnten. Ich denke da vor allem an Asmodi. Möglicherweise wird man sagen, wenn schon Doktor Faustus seinerzeit einen Vertrag mit dem Unaussprechlichen geschlossen hat, warum

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