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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Doch je öfter ich das tat, desto verwirrter wurde ich.
    Dennoch war ich stets vorsichtig. Nur wenn Bérenger den Berg hinuntergefahren und auch Antoine nicht da war, wagte ich es, den Schlüssel zu entwenden.
    Dass mit „B.“ Boudet gemeint war, hatte ich bald herausgefunden. dass Bérenger seinem Kollegen aber in vielem blind zu gehorchen schien – und im Jahr 1891 tatsächlich den Westgotenpfeiler im Gärtchen, links von der Kirche, umgekehrt aufstellen ließ - erschütterte mich beträchtlich. Sein ambivalentes Verhalten Boudet gegenüber und vor allem seine unheimlichen Notizen machten mich so nervös, dass ich mich an manchen Tagen in die rastlose Zeitspanne zwischen meiner Kindheit und Jugend versetzt fühlte. Dabei erinnerte ich mich nicht nur an den Vorfall mit dem Krämer, sondern vor allem an den elenden Abend, an dem mich Großmutter gezwungen hatte, wieder und wieder vom Tisch zu springen, damit das Kind, das ich in mir trug, sich endlich von mir lösen würde. Mutter hatte daneben gesessen mit rotgeweinten Augen. Draußen hatte der Abendvogel gerufen - und mir scheint, als höre ich ihn gerade wieder.
    „Marie, es muss sein“, hatte Mutter gesagt. „Auf den Absud hast du dich nur übergeben. Wir dürfen die Schande nicht über unsere Familie kommen lassen! Du bist erst zwölf Jahre alt.“
    Selbst Großmutter hatte ihr beigepflichtet. So sprang ich. Sprang und sprang und sprang. Fünfzigmal. Am Ende steckten sie mich in einen Holzzuber mit heißem Seifenwasser, so dass ich mir fast die Haut verbrannte, gossen einen eklig stinkenden Kräutersud hinzu und hießen mich auszuharren in meinem Elend und meiner Scham.
    Vergebens.
    Als mein Vater von der Sache erfuhr, brüllte er, außer sich vor Zorn, Mutter an:
    „Warum hast du nicht besser aufgepasst! Erst vögelt er dich und jetzt auch noch deine Tochter! Diese Sau! Ich bringe ihn um! Jetzt auf der Stelle.“
    Mit diesen Worten war er zum Küchentisch gestürzt. In seiner Wut hatte er das Schubfach herausgerissen. Gabeln, Löffel und Messer fielen scheppernd zu Boden. Beim Zurückweichen stieß Vater so heftig an das Tischbein, dass auch noch die Vase mit den Sonnenblumen ins Schwanken geriet. Krachend fiel sie um, das Wasser ergoss sich auf das am Boden liegende Besteck. Vater bückte sich, um das große Schlachtermesser aufzuheben.
    „Nein!“ schrie da Mutter lauthals. „Lass es liegen! Um Gottes willen, halt ihn fest, Großmutter! Er stürzt uns alle ins Unglück! Barthélémy, hilf uns!“ rief sie zum Hof hinaus, wo mein Bruder Holz hackte.
    „Besser, ihr seid im Armenhaus und ich tot, als euch erneut in den Armen dieses Scheusals zu wissen!“ stieß Vater wutentbrannt hervor und riss sich los. Mein Bruder stürzte hinzu.
    Erst nachdem er im Laufe des Abends mehrere Krüge Wein in sich hineingeschüttet hatte, beruhigte sich Vater ein wenig. Wie Cerberus vor dem Höllentor hatte Großmutter die ganze Nacht über vor der Tür gesessen, um Wache zu halten. Doch Vater hatte nur noch mit stierem Blick aus dem Fenster in die Finsternis hineingesehen.
    Ja, ich hatte mir die Sache selbst eingebrockt. Zumindest hat mir niemals jemand versichert, dass nicht ich der Auslöser des schrecklichen Geschehens war, sondern das Scheusal, der Sohn des Bauern Bourriche.
    Die Sonne stach in jenem Sommer seit Wochen geradezu unbarmherzig vom Himmel, so dass ich barfuß herumlief und nur ein ausgebleichtes ärmelloses Waschkleid vom Vorjahr anhatte, das mir schon ein wenig zu eng und vor allem viel zu kurz geworden war. Großmutter hatte mir an diesem Vormittag einen Korb Fadenbohnen zu putzen gegeben, aber jetzt, nach dem Mittagessen, ruhte sie, und ich war aller häuslichen Pflichten ledig. Barthélémy war bereits Lehrbub auf der Gemeinde. So schlenderte ich zum Bauernhof hinüber, vorsichtig die zahlreichen Hinterlassenschaften der überall herumlaufenden Hühner und Enten umgehend, denn ich war ein heikles kleines Ding. Nun wollte ich Mutter fragen, ob ich meine Freundin Louise im Dorf besuchen dürfte.
    Plötzlich stand der Jungbauer vor mir.
    „Suchst du deine Mutter?“ fragte er.
    Ich nickte.
    „Ich habe sie gerade nach Esperaza geschickt, in die Apotheke. Es wird wohl Abend werden, bis sie zurück ist.“
    Ich nickte erneut und wollte mit einem kurzen „Auf Wiedersehen, Monsieur Marcel!“ nach Hause laufen, als er mich plötzlich am Arm zurückhielt.
    Ich erschrak. Konnte er Gedanken lesen? Etwa meinen Plan erraten, einen kleinen Umweg durch seine

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