Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
dichten, grünen Johannisbeerbüsche zu machen, um ein paar der roten Beeren zu naschen?
„Soll ich dir etwas Schönes zeigen, kleine Marie? Die Suzanne hat gestern auf die Nacht Junge bekommen. Sie sind oben in der Scheune. Komm, schau sie dir an! Aber sei ganz still, damit die Alte nicht erschrickt“, sagte er überfreundlich.
Seine Worte hätten mich auf der Stelle misstrauisch werden lassen müssen, das Erlebnis mit dem Krämer war kaum zwei Jahre her. Doch ich stieg arglos vor ihm die Leiter hinauf auf den Heuboden. Die kleinen Kätzchen waren zu putzig, wie sie in ihrem Nest lagen und miauten, so schutzlos, nackt und blind. Wir lachten wie zwei Verschwörer. Als ich hinabsteigen wollte, gedachte Monsieur aber noch etwas anderes zu begutachten. Er war nicht brutal. Nein. Nicht zu Beginn. Im Gegenteil. Obwohl er wie Monsieur Chalet seinerzeit unsäglich schwitzte vor Angst, Begierde oder beidem, war er zuerst sehr bemüht. Er neckte mich, warf mich ins Heu, streichelte meine Wangen, schob mir dann Stück für Stück den Rock nach oben und kitzelte mich zart mit einer Hühnerfeder, die er im Stroh gefunden hatte.
Nein, ich will ehrlich sein. So völlig arglos war ich nicht mehr mit meinen zwölf Jahren. Dieser große und gutaussehende Mann war aber kein Fremder für mich. Schon als kleines Kind hatte ich ihn gemocht, weil er immer zu Scherzen aufgelegt war.
Irgendwo in meinem Unterbewusstsein ahnte ich dort oben auf dem Heuboden, dass es dennoch keinesfalls richtig war, was er mit mir tat. Aber es gab sowieso kein Zurück mehr. Als es soweit war, fing ich zwar an zu schreien, doch er hielt mir mit der linken Hand den Mund zu und wurde plötzlich brutal. Es schmerzte sehr.
Dass er sich nicht zurücknahm am Ende, wie es Bérenger immer tut, um mich nicht in eine fatale Lage zu bringen, kann ich ihm am wenigsten verzeihen. Vielleicht war er der Meinung, ich sei noch zu jung, um schwanger zu werden. Aber obwohl ich vor einem Monat das erste Mal geblutet hatte, war ich augenblicklich schwanger. Und als ich einige Zeit später anfing, mich noch vor dem Frühstück zu übergeben, versteinerten die Gesichter der Frauen. Sie warteten, bis Vater und Barthélémy zur Arbeit gegangen waren, dann nahmen sie mich zur Seite. Die Heilige Inquisition hätte sich die beiden durchaus als Vorbild nehmen können.
Am Tag nach der lautstarken Auseinandersetzung, als Vater mit schwerem Kopf, völlig übernächtigt, aber ohne das Schlachtermesser zur Arbeit gegangen war, kam die dicke Belle und mit ihr das Grauen. Nachdem die Vorhänge zugezogen waren und alle Türen verriegelt, zog sie sich eine Schürze aus rotem Gummi über ihren Leib und holte dann mehrere lange Nadeln und Haken aus ihrer Tasche. Großmutter zerrte die eiserne Wanne hervor, die gewöhnlich unter ihrem Bett stand, füllte sie mit kochendem Wasser und entzündete eine Kerze.
„Diese Saukerle“, fluchte Belle, als sie die Nadeln in die Flamme hielt, „machen nicht einmal vor Kindern halt! Der Schwanz gehört ihnen abgeschnitten, endgültig!“
Die Großmutter nickte heftig. Mutter schluchzte. Nachdem die dicke Frau die durchgeglühten Nadeln der Größe nach auf ein sauberes, hölzernes Brett gelegt hatte, drehte sie sich nach mir um, die ich zusammengekauert auf der Ofenbank saß. Als sie meine weit aufgerissenen angstvollen Augen sah, schlurfte sie zu mir herüber und strich mir übers Haar.
„Hab keine Angst, mein Täubchen“, brummte sie, „es tut zwar weh, aber ich verstehe mein Handwerk. Hier hast du ein Stück Holz, das klemmst du dir zwischen die Zähne, damit du nicht schreist. Und jetzt leg dich auf den Tisch und heb die Röcke hoch.“
Mutter zog meine Beine auseinander und hielt sie eisern fest. Großmutter betete den Rosenkranz.
Die Belle wusch sich ein ums andere Mal die fleischigen Hände mit einer Wurzelbürste und Kernseife und schrubbte, bis sie krebsrot waren. Dann kam sie endlich zu mir und untersuchte mich mit ihrem Zeigefinger. „Na, na, na, entspann dich, Kleine! Wenn du so verkrampft bist, wird es dir nur weh tun.“
Ich versuchte lockerzulassen. Aber was tat sie dort unten? Ein wahrhaft grausamer Schmerz durchzog in heißen Wellen meinen Leib, als sie nach und nach die Nadeln in meinen Unterkörper einführte, und am Ende dachte ich, ich müsse nun sterben. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dort auf dem Tisch lag, aber als es endlich vorbei war, brannte und zog mir nicht nur der ganze Leib, sondern es schmerzte mir auch
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