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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Hilfe Boudets. Die ganze Nacht hatte ich auf ihn gewartet. Zitternd vor Kälte und Angst lag ich auf den Knien vor der Ofenbank, den Rosenkranz in der Hand, und bettelte in einem fort: „O Maria, steh uns bei, dass uns Gott barmherzig sei!“
    Als der erste graue Schimmer des neuen Tages zum Küchenfenster hereinfiel, stand ich auf, um Antoine zu wecken. Da meinte ich, leise Schritte zu hören. Erstarrt ließ ich die alte Wolldecke von den Schultern gleiten. Kam Bérenger zurück, war Antoine bereits auf den Beinen, oder narrten mich nur meine zum Zerreißen gespannten Nerven?
    Leise knarrend öffnete sich die Tür, und – gelobt sei Jesus Christus - Bérenger lugte herein, den rechten Zeigefinger vor den Lippen.
    „Dem Himmel sei Dank!“ rief ich erleichtert, aber verhalten.
    Bérenger war nicht mit leeren Händen gekommen. Weder konnte ich das neue Seil, das er sich von Henriette Nodiers Mann ausgeliehen hatte, entdecken, noch einen weiteren ledernen Sack, dafür aber ein umfangreiches Bündel, fest in seine Joppe gewickelt. Wie ein Landstreicher sah er aus, die Hose zerrissen, verschmutzt bis auf das Unterzeug. Wohl hatte er Bartstoppeln, aber im Gesicht auch sein gewohntes, unverschämt freches Lachen. Er kniff ein wenig die Augen zusammen, so als müsste er sich erst wieder an das Licht der Kerze gewöhnen, die auf dem Tisch stand. Dann kam er auf mich zu, fasste mich um die Mitte und sah mir in die Augen: „Marinette, meine Kleine, immer wenn ich dich sehe, geht mir das Herz auf! Hast du etwa die ganze Nacht auf mich gewartet?“
    Ich nickte selig.
    „Nun, das Warten hat sich gelohnt. Jetzt sind wir reich. Reich, reich – unsagbar reich! Im Vergleich zu dem, was ich in dieser Nacht entdeckt habe, ist das Zeug, das wir im Keller versteckt haben, eitler Tand und Kinderkram.“
    „Bérenger – sag? Was ...“, ich stotterte vor Aufregung, „was hast du gefunden dort unten? Sprich endlich!“
    „Setz dich erst einmal, Kleine, und beruhige dich. Oder nein, koch mir rasch Kaffee! Die Kirche habe ich bereits wieder in Ordnung gebracht, die Ritterplatte ist an Ort und Stelle. Antoine wird nichts merken.“
    Übermüdet und überdreht packte er selbst mit an, holte Holz für den Herd, und bald schon zog ein verführerischer Duft durchs Haus. Als wir endlich am Tisch saßen, die dampfenden Tassen vor uns, strahlte er über das ganze Gesicht.
    „So, Marie, und jetzt erzähle ich dir in aller Ruhe, was mir heute nacht widerfahren ist. Als ich mich hinuntergelassen hatte in diesen unheimlichen Gang, war ich bald sehr froh, dass ich an dem Seil hing. Denn es dauerte geraume Zeit, bis ich mit meinen Fußspitzen etwas ertasten konnte, zuerst grob behauene Steine, dann raue, ungleichmäßige Stufen. Der Fels war feucht und glitschig. Hatte ich einmal einen kleinen Vorsprung ertastet, um mich festzuhalten, fehlte die Stufe, so dass ich oft frei in der Luft hing. Ein wenig später wurde es besser. Ganz vorsichtig - Schritt für Schritt, Stufe für Stufe - ging es abwärts. Es war stockdunkel. Ich musste mich auf das verlassen, was ich mit Händen und Füßen fühlte. Trotzdem verlief der Abstieg recht gut, bis ich an eine Stelle kam, an der ich überhaupt nichts mehr tasten konnte. Bestürzt hielt ich inne. Nur dass ich noch immer am Seil hing, gab mir eine gewisse Sicherheit. Was sollte ich tun? Umkehren? Wieder hinaufklettern?“
    Bérenger stand auf und begann - wie es so seine Art war -, im Raum auf und ab zu laufen, weil es ihm nicht mehr genügte, seine Erzählung nur mit weitausladenden Gesten zu untermalen.
    „Auf gut Glück ließ ich mich schließlich weiter am Seil hinab, bis ich in einer äußerst engen Stelle fast steckenblieb. Dem Herrn sei Dank, dass ich zwar stattlich, aber beileibe nicht korpulent bin“ - er zog bei diesen Worten doch tatsächlich den Bauch ein -, „sonst würde ich wohl noch immer dort feststecken. Du machst dir keine Vorstellung, Marie, in welcher Gefahr ich geschwebt habe. Aber der Herr war bei mir.“
    Er hielt inne, um sich eine weitere Tasse Kaffee einzuschenken.
    „Weiter und weiter ging es in die Tiefe, so weit, dass sogar dieses lange Seil zu Ende war. Nach dem gefährlichen Engpass war der Fels aber glücklicherweise wieder ziemlich gleichmäßig behauen, so dass ich es nach kurzem Zögern wagte, auch ohne Seil weiter hinabzusteigen. Nun hieß es aber, besonders vorsichtig zu sein, und aus diesem Grunde kam ich natürlich nur sehr langsam voran. Der Schacht wollte und

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