Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
gemacht. Es hätte anders ausgehen können, denke ich mir. Ganz anders ... .
Doch bringt uns das Grübeln im Moment nicht weiter. Aber irgendwann werde ich alles wissen. Irgendwann muss ich es einfach wissen!“
„Ja, ja - aber jetzt erzähl doch endlich. Was hast du entdeckt dort unten in jener Kammer?“
Er lachte laut auf und kratzte sich das staubige Haupt.
„Also, mein ungeduldiges Mädchen“, neckte er mich. „Ich sah Knochen dort herumliegen, menschliche Knochen!“
„Knochen?“
Meine offensichtliche Enttäuschung gab Bérenger nun erst recht Anlass zu schallendem Gelächter.
„Beruhige dich nur wieder, Marinette“, schmunzelte er und nahm mich in den Arm. „Du bist nicht nur neugierig, sondern du hast offenbar nur eines im Kopf. Nur ein einziges Wort möchtest du von mir hören, nicht wahr? Gold!“
Ich war leicht verstimmt. Warum gab er nicht zu, dass es nicht die Knochen waren, die ihn bewogen hatten, dort hinüberzurobben ...
„Ja, Marie, ich sah auch Gold! Eine unglaubliche Menge. Und noch vieles mehr: Diademe, Edelsteine, Perlen, Leuchter, Schüsseln, einfach unbeschreiblich - und einen arabischen Krummdolch, neben einem Schädel. Schwarz angelaufen das Silber. Wie der dort hingeraten ist, ist mir ein Rätsel!“
Wenn auch halb im Scherz, so hatte mir Bérenger an diesem Tag unterstellt, habgierig zu sein. Das hat mich gekränkt, denn ich war damals in erster Linie nicht gierig, sondern neugierig auf das, was er entdeckt hatte. Aber wie war es schon wenig später um ihn bestellt? War sein Verhalten eines Priesters würdig? Dafür, dass Bérenger maßlos und unersättlich geworden ist, gibt es zahlreiche Beweise. Natürlich bin ich im Laufe der Zeit in den gleichen Sog geraten. Wer kann es mir verdenken. Es ist berauschend, in eine stolze Villa mit edlen Möbeln und wertvollen Bildern einzuziehen, märchenhaft, am Abend in meinem schönsten Seidenkleid durch den Park zu flanieren, den zinnenbewehrten Magdalaturm vor Augen, dem Gekreische der exotischen Vögel lauschend, die Bérenger in großen Volieren gefangen hält, vom Duft der weißen Rosen und des Heliotrops umgeben. Gemeinsam mit meinem Geliebten genoss ich unzählige Sonnenuntergänge auf der hoch oben am Berghang gelegenen, halbrunden, überaus romantischen Terrasse. Ein Glas Champagner in der Hand, blickten wir in das weite Land, das wir beide so sehr lieben. Wie friedlich liegt es dort unten.
Wir beide jedoch, wir gaben keinen Frieden. Wir konnten nicht mehr aufhören, Pläne zu schmieden, dieses zu verbessern und jenes neu anzuschaffen. Noch schöner, noch perfekter sollte alles werden.
Wir waren nie zufrieden. Doch das Überflüssige hat seinen Preis gekostet.
14
„Mein Glas ist wie ein Lachen mir zerbrochen ...“
Guillaume Apollinaire , Nuit rhénane
Nachdem die erste Euphorie verflogen war, fragte ich mich oft, wessen Schatz wir uns da eigentlich angeeignet hatten. Hatten wir überhaupt das Recht dazu, ihn für unsere Verrücktheiten zu verschwenden? Bérenger gab mir keine Antwort darauf. Er schwieg sich überhaupt zunehmend darüber aus, was ihn bei seinen Nachforschungen bewegte und was er herausfand. Immer öfter schlich ich mich daher in die Sakristei. Aber im schwarzen Buch stand nur Kryptisches:
„B. besteht darauf, den Pfeiler mit dem Westgotenkreuz verkehrt herum aufzustellen. Nihil obstat.
Wir nennen es: Kreuz des Schweigens! (per crucem ad lucem?)
jedoch erst 1891, Absicht!!! (1681)!
***
Brief aus Granès. Es regnet seit Tagen. Grab.
***
Endlich stehen einige Dinge fest:
Teniers, Antonius der Eremit , Dämonen?? – Katharer haben ihm ein Vlies gestiftet!
Nicolas Poussin, Die Hirten von Arkadien, Anfechtung? Fouquet 1656? Nachprüfen!!!
Cölestin V., (Künstler unbek.), Grotte, war der Heilige Katharer ? Eremit . (Im strengen Winter festgefroren.)
Ich bin zu ungeduldig!“
„Im strengen Winter festgefroren? Ein Eremit in seiner Grotte?“ Wie gerne hätte ich nachgefragt. Poussin und Teniers? Ich vermutete, dass es sich bei Bérengers Beschreibung um die Gemälde handelte, die er von Paris mitgebracht hatte, aber ich konnte mir keinen Reim darauf machen, welche Rolle sie spielten und was er mit ihnen vorhatte. Bald konnte ich meine Neugierde nicht mehr zügeln. Zog Bérenger sich des Abends in die Sakristei zurück, um „die Bücher nachzutragen“ (meist war in der Zwischenzeit gar kein Kasualfall eingetreten!), so trieb es mich, des Morgens nachzusehen, was er geschrieben hatte.
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