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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Korb durch die Gegend zogen. Die Arbeit des Kirchendieners versah seit einiger Zeit Félix Hubert, ein früherer Messdiener, der die Nachfolge unseres verschwundenen Tierpflegers angetreten hatte. Der Neue war eher wortkarg und verschlossen, konnte auch im Umgang mit den Tieren Didier nicht das Wasser reichen, aber er verrichtete brav und selbständig seine Arbeit und war vor allem nicht neugierig. Ihm fehlte die Phantasie dazu. Dieses Mal hatte ich übrigens Boudet einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich selbst hatte Bérenger den Jungen empfohlen. Er war Henriettes Neffe.

    Gegen zwei Uhr in der Nacht klopfte Bérenger an meine Tür. „Marie, steh auf. Es ist Zeit.“ Als ich todmüde in die Küche schlurfte, hatte Bérenger bereits Feuer gemacht. Die Milch stand auf dem Herd und war schon fast heiß. Wir brockten Brot in die großen Tassen mit dem blauen Rand, gossen die Milch darüber und aßen wortlos. Dann packten wir Proviant in meinen Tragekorb, damit wir in der Höhle neben all dem Gold nicht etwa verhungern mussten. Die Wasserflasche kam in Bérengers Rucksack, der ebenfalls auf unserem Heimweg anderes zu transportieren hatte – wenn alles gutging. Bérenger ging zu den Hunden, um sie mit einigen Knochen zu bestechen.
    Leise schlossen wir die Villa ab.

    Wenn ich schon ziemlich aufgeregt war, so war Bérenger um Längen nervöser. Immer wieder blieb er kurz stehen, lauschte, spähte in die Gasse, ob die lange, neugierige Nase Madame Caclars nicht zufällig durch einen schmalen Spalt ihres Fensterladens spitzte. Kurz gesagt, er verhielt sich so, dass er mir meinen letzten Rest von Courage raubte. Schande und Schmach!
    Aber wer sollte es auf ihn abgesehen haben? Wenn er mich nur einweihen würde, dachte ich, könnte ich die Zeichen einer nahenden Gefahr schneller erkennen.
    Kurze Zeit später hatten wir das Dorf hinter uns gelassen. Ein kühler Wind wehte, und rasch dahinsegelnde dunkle Wolken verdeckten immer wieder die Sterne, so dass wir mehr oder weniger in völliger Dunkelheit unseren Weg suchen mussten. Nach der ersten Biegung fühlten wir uns sicherer. Ab sofort konnte unser nächtlicher Ausflug nicht mehr aus dem Dorf beobachtet werden. Dennoch weigerte Bérenger sich, die kleine Laterne anzuzünden.
    „Halte dich dicht an meiner Seite, so kann dir nichts geschehen. Bis es zu dämmern anfängt, sind wir längst am Hohlweg angelangt und können ungesehen in die Höhle schlüpfen.“
    Bérengers Worte trugen keinen Deut dazu bei, die Angst zu beschwichtigen, die sich mehr und mehr in mir breitmachte. Diese ganze Exkursion steht unter keinem guten Stern, dachte ich – und dabei hatte ich doch erst gestern ein neues Ginsterbüschel ...
    Doch halt, was war das?
    Bérenger war abrupt stehengeblieben. Langsam drehte er sich um und lauschte.
    „Hast du etwas gehört?“ flüsterte ich.
    „Still, Marie!“ fauchte er mich an. Sein Gesicht war in der Dunkelheit kaum zu sehen, aber ich roch deutlich seine Angst. Ich presste die Lippen aufeinander, weil ich befürchtete, dass mir die Zähne klappern könnten.
    Ja, jetzt hörte ich es auch. Da waren ganz leise, jedoch regelmäßig wiederkehrende Schritte. Trapp, trapp ... trapp, trapp ...
    Und dann – plötzlich Stille.
    Ich suchte Bérengers Hand. Sie war schweißfeucht. Mein Herz klopfte zum Zerspringen, und meine Kehle war so trocken, dass ich befürchtete, husten zu müssen. Vorsichtshalber hielt ich die Luft an.
    Langsam wandte sich Bérenger wieder um und setzte sich wortlos in Bewegung. Wir liefen ungefähr hundert Meter weiter bergab, dann hielt Bérenger ein weiteres Mal inne.
    Sapristi! Da waren die Schritte wieder! Trapp, trapp, tra…
    Erneut verstummten die mysteriösen Schritte, kurz nachdem wir stehengeblieben waren.
    „Das gilt eindeutig uns“, raunte Bérenger mir ins Ohr und hielt mir die Hand auf den Mund. „Sag kein Wort, Marie, folge mir nur, egal wohin der Weg führt. Vertraue mir!“
    Wortlos ließ ich mich von ihm weiterführen.
    Urplötzlich und ohne jegliche Vorwarnung fing Bérenger an, laut in die Nacht hinein zu singen. Ich erschrak. „Quand nous partîmes de France“ , schmetterte er aus voller Brust. Seine kräftige Sangesstimme war allen wohlbekannt, doch gedachte er nun mit dem „Grande Chanson“, dem frommen Lied der Jakobspilger, unseren Verfolger in die Flucht zu schlagen?
    Aber nein. Wieder einmal zeigte es sich, dass Bérenger die Gabe hatte, kurzfristig alle Pläne über den Haufen zu werfen und statt

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