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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Madame einpacken. Nachdem ich ihr ein ordentliches Trinkgeld hingelegt hatte, wobei das alte Biest die Nase kräuselte, sagte ich: „Gott befohlen, Madame – und glauben Sie nicht immer alles, was die Leute so reden!“
    Mutter war entsetzt, als wir den Laden verlassen hatten. „Wie sprichst du mit Madame Trussaut? Hast du überhaupt keinen Respekt vor der alten Dame?“
    „Nein“, habe ich ihr geantwortet. „Respekt habe ich nur vor wenigen Menschen auf dieser Welt. Das soll dich aber nicht weiter bedrücken, Mutter.“
    Mutter seufzte tief. Ohne ein weiteres Wort stieg sie an meiner Seite den Berg hinauf. Nach einiger Zeit jedoch blieb sie stehen.
    „Laufe ich zu schnell für dich? Sollen wir eine Pause einlegen?“ Ich drehte mich zu ihr um. „Vielleicht hättest du lieber mit Vater fahren sollen?“
    „Nein, nein. Das Laufen tut mir gut“, wehrte sie ab. „Ich mache mir nur große Sorgen um Vater.“
    „Sorgen?“
    „Ach, ich weiß nicht recht!“ Sie seufzte erneut. „Er geht so ungern nach Rennes!“
    Verblüfft hielt ich inne. „Wie bitte? Ungern? Ich hatte den Eindruck, ihr wäret sehr froh, eure alte Hütte endlich verlassen zu können?“
    „Das sind wir auch, Marie! Halt uns nicht für undankbar. Vater hat den Bauern nie leiden können, du weißt weshalb. Aber jetzt, wo es soweit ist, jetzt fällt es ihm furchtbar schwer, aus Couiza fortzugehen. Die ganze Nacht hat er vor sich hin gestöhnt!“
    „Gestöhnt? Rennes ist doch nur einen Katzensprung von Couiza entfernt. Er kann sich jederzeit unseren Gig ausborgen und hinunterfahren, wenn er am Nachmittag seine Freunde sehen will. Wenigstens im Sommer ...“
    Mutter sah wirklich bekümmert drein. „Er meint, wir seien auf Gnade und Barmherzigkeit dir ausgeliefert, Marie!“
    Grundgütiger Himmel. Das wurde ja immer besser.
    „Mir ausgeliefert? Na, sag einmal, wie kommt Vater auf einen solchen Gedanken?“
    „Ich weiß es auch nicht. ´Frau, du wirst sehen, wir rutschen von einer Abhängigkeit in die andere hinein`, hat er gesagt. Erst der Bauer, dann die Tochter. Da hat man nun sein ganzes Leben lang geschuftet und sich geplagt für andere Leute, und nun ...“
    Henriette war meine Rettung. Sie lief uns geradewegs in die Arme, begrüßte uns mit einem strahlenden Lachen, erzählte von einer kranken Freundin, zu der sie unterwegs sei, und dass das ganze Dorf sich freue, die Eltern der Marie endlich unter sich zu wissen.
    Das war zwar gut gemeint, aber sicherlich übertrieben. Mutter jedoch lachte. Ihre Freude über Henriettes herzlichen Empfang war ihr so offen ins Gesicht geschrieben, dass ich auf der Stelle ein schlechtes Gewissen bekam. Hatten die Eltern meine Halbherzigkeit gespürt? Bérenger hatte leicht reden. Mir bereitete die Aussicht, Tag für Tag nun auch noch die kritischen Blicke der Eltern ertragen zu müssen, ziemliches Unbehagen.
    Ja, die liebe Henriette - sie ist nicht gerade hübsch, mit ihrer auffälligen linken Wange, die von Geburt an ein wenig höher steht als die andere. Aber sie ist ein glücklicher und zufriedener Mensch, verheiratet mit einem tüchtigen Bauern, dem sie vier gesunde Kinder geschenkt hat. Ich kenne niemanden im Ort, der sie nicht geschätzt und an bestimmten Festtagen gern in sein Haus geholt hätte, denn wer sonst versteht es, solch herrliche Beignets zu backen! Geschickt zieht sie dabei den Hefeteigball auf ihrem linken Knie hauchdünn aus, bevor sie das Gebilde vorsichtig in das heiße Schmalz legt, es goldbraun ausbacken läßt, um es am Ende in Zucker und Zimt zu wenden. Der Mensch ist so, wie er ist , pflegt sie zu sagen – und: Wie man schenkt, zählt mehr, als was man schenkt .
    Ich schämte mich ein wenig. Zwar hatte ich den alten Leuten mein Haus geöffnet, es aber nicht mit fröhlichem Herzen getan. Deshalb auch Vaters Angst, von mir abhängig zu werden. Als sie eingezogen waren, taten sie so, als wäre alles in Ordnung. Sie sahen in Bérenger den über alle Zweifel erhabenen, tüchtigen Priester und in mir die brave, fleißige Haushälterin. Die beiden lebten zurückgezogen, waren aber zu jedermann freundlich und bemüht, alles richtig zu machen. Vater half Bérenger später sogar beim Bau des Turmes Magdala, der bei ihrer Ankunft gerade entworfen wurde.
    Ich aber konnte ihre Gedanken lesen, ihre vorsichtig taxierenden Blicke interpretieren, und ihre unausgesprochenen Vorwürfe über meinen Lebenswandel verfolgten mich im Traum.

24
    „Ihr hattet Teil am Schutz –
    nun teilt das

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