Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
Glas Rum aus Martinique oder auch nur einen Bordeaux, dann fuhren sie heim oder zogen sich auf die Gästezimmer zurück, weil sie am nächsten Morgen zeitig abzureisen gedachten.
Noch am späten Abend machte sich Bérenger auf den Weg ins Tal, um Boudet aufzusuchen und „andere unaufschiebbare Geschäfte zu erledigen“, wie er mir sagte. Gélis fuhr mit ihm.
Um Mitternacht war er noch immer nicht zurück, aber ich war so müde, dass mir ständig die Augen zufielen, und so ging ich schlafen.
Erst am frühen Nachmittag des nächsten Tages kam er wieder. Er stürmte geradewegs in die Küche.
„Marie, stell`die Kaffeemühle zur Seite und gib acht. Ich will nicht um den heißen Brei herumreden: Soeben war ich auf der Gemeinde von Esperaza und habe jenes Grundstück im Bals-Tal gekauft, auf dem sich der versteckte Eingang zur Grotte befindet. Beim Notar habe ich es dann auf deinen Namen schreiben lassen. Maître Bérger, mein Advokat, hat mir den Rat gegeben. Aus dem gleichen Grund habe ich dir auch die Grundstücke, auf die ich die Villa und den Turm gebaut habe, überschrieben. Das gibt uns die Sicherheit, dass Rom nicht eines Tages Anspruch auf die Gebäude und Gärten erhebt. Notariell ist alles geregelt. Und wenn du mich nicht irgendwann hinauswirfst, bedeutet das, dass wir beide ab sofort rechtmäßig reich sind, Marie.“ Bérenger lachte und zwinkerte mit den Augen. „Rechtmäßig!“ betonte er ein weiteres Mal. „Es bedeutet aber noch etwas anderes, mein Mädchen.“
Ich dachte in diesem Augenblick nur daran, wie sehr mich sein Entschluss, mir diese Grundstücke zu überschreiben, aufwertete. Ich fühlte mich geehrt, dass Bérenger mich ebenso achtete, als wäre ich seine ihm vor Gott und dem Gesetz angetraute Frau. Ich war ihm das wert – nicht Emma, nicht Boudet, Hoffet oder die anderen obskuren Freunde.
Bérenger nahm meine Hände in die seinen. „Es gibt arme und reiche Menschen und unter beiden Narren und kluge Köpfe. Aber nur die Reichen sind weitgehend frei in ihren Handlungen, nicht zuletzt, weil sie Macht haben über die anderen und über die öffentliche Meinung. Demzufolge spielt es keine Rolle, ob sie zu den Narren zählen oder zu den Klugen. Ich will dir jetzt unseren reiflich überlegten, endgültigen Plan erklären. Boudets Plan und meinen. Er ist im Grunde so simpel wie genial – aber ich brauche dich dazu, Marie.“
Jetzt wurde es interessant. Der große Meister Boudet persönlich kam ins Spiel. Was hatte er nun schon wieder ausgeheckt?
Bérenger schien seltsam erregt. Er ließ meine Hände los und fing an, in der Küche auf und ab zu laufen und zu gestikulieren.
„Alle Leute, ob sie nun klug sind oder nicht, müssen gezwungen werden, über unseren Reichtum zu reden. Deshalb auch Boudets Buch, das ...“
„Aber Bérenger“, warf ich ein, „sie sprechen doch längst von nichts anderem mehr!“
„Lass mich ausreden!“ herrschte er mich an. „Ich meine nicht das Drauflosspekulieren der Leute.“
„Das verstehe ich nicht!“
„Dass Krethi und Plethi von unserem Schatz wissen, ist uns von Nutzen, denn wir brauchen ja eine Erklärung, wenn wir unseren Lebensstil nicht einschränken wollen. Außerdem lenkt sie ihr Geschwätz von unseren anderen Nachforschungen ab. Denn darüber dürfen sie nichts, gar nichts erfahren, die Zeit ist noch nicht reif dafür. Aus diesem Grunde müssen wir die Spekulationen der Leute so geschickt manipulieren, dass sie uns nicht wirklich auf die Schliche kommen. Wie ist dieses Problem zu lösen?“
Ich zuckte ratlos mit den Schultern.
„Ich will dir helfen, indem ich dir eine Frage stelle: Würdest du auf Anhieb einen wertvollen Diamanten entdecken, der sich inmitten von Glasscherben befindet?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht!“
„Der Diamant, Marie, ist nur ein Beispiel für das, was wir von der Allgemeinheit fernhalten wollen. Wir drei müssen demzufolge einen großen Glashaufen vor den Leuten auftürmen, indem wir beispielsweise heute von den Merowingern reden, von König Dagobert II., morgen vom Schatz der Tempelritter, ein wenig später ganz offen vom Geheimnis der Katharer und vielleicht auch noch von dem, was Blanca von Kastilien in Rennes-le-Bains versteckt haben könnte, als sie dereinst zur Kur dort weilte - damit ist der erste Schritt zum Verbergen des Diamanten getan. Weisen wir dann, wie in Boudets Buch geschehen, noch auf die seltsamen Teufelssteine hin und auf gewisse geometrische Punkte in unserer
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