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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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du die Wahrheit?“
    „Nichts weiter“, log ich, ohne rot zu werden.
    „Marie, jetzt noch einmal von vorn. Bitte konzentriere dich. Wenn dieses Grabmal sich tatsächlich in unserer unmittelbaren Nähe befindet, dann müssten außer deinem Bruder noch andere Leute davon wissen. Du musst dich irren!“
    „Es steht ganz sicher dort, jedoch völlig unauffällig, weil es nämlich ganz und gar nicht zu sehen ist“, erwiderte ich mit Nachdruck.
    „Wieso nicht? Wie meinst du das? Sprich nicht in Rätseln!“
    „Nun, mein Bruder hat mir erzählt, dass es auf einem kleinen Hügel stand, der mit Bäumen und dornigen Sträuchern völlig zugewachsen war. Keine Straße, kein einziger Weg führte dort hinauf. Er hatte sich beide Beine so sehr zerkratzt, dass ihm das Blut in die Schuhe lief.“
    „Ja, gut“, unterbrach mich Bérenger ungeduldig, „hast du wenigstens eine Vermutung, wo sich der Hügel befindet?“
    Ich zuckte mit den Schultern. „Ich kann es dir wirklich nicht sagen, Bérenger. Ich war zu klein seinerzeit, es fällt mir nicht mehr ein.“
    „Das ist doch nicht zu fassen!“ Bérenger raufte sich die Haare. „Typisch Weib, die unwichtigen Sachen behalten sie, und die wichtigen vergessen sie auf der Stelle. Überleg noch einmal in Ruhe, Marie, irgendwas muss dir einfach einfallen, ein kleiner Hinweis, ein bestimmtes Wort, eine Beschreibung.“ Bérenger schüttelte mich heftig.
    Wenn ich nicht gewusst hätte, was für ihn von diesem Orts abhing, hätte ich mich sehr über ihn geärgert. So aber trug ich es ihm nicht nach, sondern begann mich noch einmal zurückzuversetzen in die Kinderzeit.
    Es war ein heißer Tag gewesen, das wusste ich genau, und Barthélémy hatte höllischen Durst gehabt.
    „Warte, Bérenger! Ich glaube, er hat von einem kleinen Bach gesprochen oder einem Flüsschen, aus dem er sich Wasser geschöpft hatte.“
    „Gut. War es die Sals oder der Rialsesse?“
    „Das weiß ich nicht ... Doch halt! Barthélemy hat mir erzählt, dass er auf dem Grund glitzernde Steine gesehen hat. Ja, ganz sicher, denn ich habe ihn gefragt, ob es Silbersteine gewesen wären.“
    „Silberne Steine! Natürlich, was anderes hätte ich von dir auch gar nicht erwartet. Du warst schon als kleines Ding hinter Gold und Silber her!“ blaffte mich Bérenger ungeduldig an.
    Nun reichte es mir. Ausgerechnet er musste mir das vorhalten.
    „Tut mir leid. Ich kann ja morgen Barthélémy eine Depesche schicken. Er wird sich sehr wundern, wieso uns dieses Grab so interessiert“, sagte ich schnippisch.
    „Gut“, sagte Bérenger, „schicken wir ihm eine Depesche.“

    Am nächsten Morgen, als ich ihn um den Text für die Depesche bat, druckste Bérenger herum.
    „Marie, ich habe es mir anders überlegt. Wir dürfen kein Risiko eingehen. Wenn dein Bruder schon damals so neugierig war, wird er sofort die Ohren aufstellen, wenn er unsere Nachfrage erhält, obendrein eine Depesche. Ich mache dir einen anderen Vorschlag: Lade ihn und seine ganze Familie zu deinem Geburtstag im August zu uns ein. Inzwischen haben wir so viel Zeit mit den Nachforschungen vergeudet, dass es auf ein paar Wochen mehr nicht ankommt.“
    Mir war nicht wohl, dachte ich doch sofort an meine eingebildete Schwägerin, die zu treffen ich wahrlich kein Verlangen hatte.
    „Schreib ihm einen schönen Brief, richte ihm meine beste Empfehlung aus. Auch deine Eltern würden sich freuen, wenn die ganze Familie wieder einmal zusammenkäme. Wenn er erst hier ist, wirst du gewiss eine passende Gelegenheit finden, ihn nach diesem Grabmal zu fragen. Unauffällig, versteht sich. Ich spendiere gern meinen besten Wein, wenn es ihm die Zunge lockert!“

29
    „Ein kleines Rohr hat mir genügt;
    es hat die hohen Gräser zittern lassen ...“
    Henri de Régnier , Odelette

    Ich schrieb einen langen Brief – und Barthélémy kam tatsächlich acht Wochen darauf mit Juliette und Olive, die inzwischen elf Jahre alt war. Mein Bruder hatte sich kaum verändert, nur die Haare hatten sich ein wenig gelichtet. Juliette war überaus gepflegt und elegant, aber beträchtlich gealtert: unzählige Falten und Fältchen überzogen Gesicht und Hals, die sie jedoch geschickt mit Rouge, Puder und duftigen Schals zu verbergen wusste. Sie begrüßte mich überraschend herzlich, fragte dann sogleich nach den Gästezimmern.
    „Ich muss mich vor dem Dîner unbedingt ein wenig hinlegen“, seufzte sie. „Die lange Bahnreise, liebe Schwägerin ...“
    Olive unterbrach sie. „Maman, du

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