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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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schmalen, wunderschön geschnitzten eichenen Bücherschränken, um sich herum Berge von Schriften, Büchern, Folianten und Aufzeichnungen. Ach, wenn er nur ab und zu aus dem Fenster schaute, so sähe er die dunklen, scherenschnittartigen Umrisse der Pyrenäen und das schöne Montazel, seinen Geburtsort, wie er, heimelig beleuchtet, friedlich und still im Tal liegt. Vielleicht ahnte er dann, dass auch ich mich nach Frieden sehne. Vielleicht spürte er, wie sehr ich mich in dieser sentimentalen Stunde vor allem nach ihm verzehre. Doch wie ich ihn kenne, jagt er in Gedanken mit noch größerer Entschlossenheit etwas hinterher, das er nie einholen wird. Sucht er nächtelang nach einer Erklärung, die nicht nur Boudet, sondern auch ihn zufriedenstellt? Papier und Tinte sind zur Genüge vorhanden, und in den Kellern lagern Unmengen Bordeaux aus besten Lagen und Jahrgängen - und Kerzen. Sie dürfen in dieser Aufzählung nicht fehlen. Gleich dem Bordeaux muss ich sie in großer Anzahl auf den Berg schaffen lassen, damit sie ihm nur ja nicht ausgehen. Bérenger hasst die Petroleumlampen noch immer, ihm wird übel von dem Geruch. „Kerzenschein, meine liebe Marinette, Kerzenschein ist etwas Besonderes. Er regt alle Sinne an und beruhigt zugleich. Ein außerordentliches Stimulans für den Geist und für die Seele“, hatte er mir in der Nacht zur Jahrhundertwende erklärt, die wir in aller Ruhe, ohne Gäste, verbracht hatten. Und er hat gelacht dabei, sein dunkles männliches Lachen, das ich so sehr an ihm liebe, kurz und abgehackt und dennoch melodisch.

    Mitten in das Einweihungsfest des Turmes platzte der Gendarm von Esperaza, Louis Lormot. Die Gäste saßen in ausgelassener Stimmung auf der Terrasse. Der Alkohol hatte ihre Gesichter gerötet, und die Witze und Bonmots flogen wie weiche Bälle von einem zum anderen. Da führte ein aufgeregter Antoine den Gendarmen herauf. Bérenger hob überrascht die Brauen und unterbrach sofort seine angeregte Unterhaltung mit Abbé Gélis aus Coustaussa. Boudet war an diesem Tag nicht unter unseren Gästen, seltsam genug.
    „Entschuldigen Sie die Störung, aber kann ich Sie kurz sprechen, Hochwürden?“ fragte der Gendarm höflich.
    „Natürlich, wenn es sich um etwas Wichtiges handelt, jederzeit!“
    Bérenger zog den Mann ein Stück beiseite, und ich konnte aus den Augenwinkeln heraus beobachten, wie sein Gesicht bei den ersten Worten des Gendarmen einen Ausdruck ernster Besorgnis annahm. Rasch stand ich auf und begann, die leeren Cognacgläser einzusammeln. Mit dem Tablett in der Hand hatte ich einen guten Vorwand, an den beiden vorbei in die Küche zu gehen, ohne dass meine Neugierde auffiel.
    „Ich kann Ihnen versichern, Monsieur“, hörte ich Bérenger halblaut sagen, „dass ich keine Ahnung habe, was mit dem Jungen seinerzeit geschehen ist. Er ist von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden. Wir haben bei seinen Leuten nachgefragt, doch die waren selbst ratlos. Sind Sie völlig sicher, dass es sich um seine Leiche handelt, die im Col de l`Espinas gefunden wurde?“
    „Absolut sicher. Es ist keinerlei Irrtum möglich. Das Gebiss ... nun, Sie kannten ihn ja - und er hatte Papiere bei sich. Auf den ersten Blick sieht die Sache zwar nach einem Unglück aus, es wird aber in Anbetracht des außergewöhnlichen Fundortes der Leiche eine Untersuchung geben.“
    Eine Untersuchung? Nur mit äußerster Beherrschung schaffte ich es, das Tablett auf die Anrichte in der Küche zu stellen, ohne dass Gläser dabei zu Bruch gingen. Dann musste ich mich setzen. Mit zitternden Händen schenkte ich mir ein Glas Rotwein ein und trank es fast in einem Zug leer. Sie hatten ihn also gefunden. Und ihr erster Weg war es gewesen, zu uns heraufzusteigen und uns zu verdächtigen.
    Aber weshalb sollten sie uns verdächtigen? Ein Unglück ...
    Der Besuch des Gendarmen hatte nicht nur mir die Laune gründlich verdorben, auch die Gäste waren entsetzt, als sie von Bérenger erfuhren, dass sein ehemaliger Gärtner und Tierpfleger auf solch schreckliche Weise ums Leben gekommen war. Was nur hatte der junge Mann in dieser einsamen und nicht ungefährlichen Gegend zu suchen gehabt?
    Bérenger, der von einem furchtbaren Unfall sprach, sah ziemlich blass aus.
    Glücklicherweise setzte ein heftiger Regenguss dem unliebsam unterbrochenen Abend ein schnelles Ende. Die Gäste flüchteten ins Haus, streiften dort noch eine Weile in Grüppchen umher, beredeten leise miteinander das Unglück, tranken ein letztes

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