Marienplatz de Compostela (German Edition)
der Ratlosen und Versager.
Zenner gehorchte.
Batthuber holte ihm unaufgefordert Kaffee. Jeder hatte eine der hässlichen Gewerkschaftstassen mit der bitteren und viel zu starken Brühe Hartmanns vor sich stehen. Da durfte Zenner, der nun Teil der Runde war, keine Ausnahme bilden. Auch er musste büßen.
Die Sonne brannte lustig auf die Stadt herunter. Am Flaucher war die Hölle los. Im Englischen Garten lagen die Glücklichen in der sommerlichen Wärme, manche spielten mit großen oder kleinen Bällen und auf den breiten Straßen bevorzugten diejenigen, die zu Fuß unterwegs waren, die Straßenseite mit dem reichhaltigsten Schatten.
Im Besprechungsraum war von sommerlicher Wärme, von Aufbruch und Lebenslust nichts zu spüren. Schweigen herrschte und auch Zenners Ankunft hatte zunächst keinen neuen Schwung gebracht. Er selbst fühlte sich unwohl, weil er zeitweise annahm, der Grund für die desolate Stimmung zu sein und irrigerweise glaubte, vor seiner Ankunft hätte eine muntere Diskussion den spärlichen Raum belebt. Aber jetzt hockte er hier. Ob dieser Raum jemals in der Art und Weise genutzt werden würde, wie ihr Sozialraum – mit Sex? Er verbannte seine destruktiven Gedanken.
Hartmann sprach mit verzweifeltem Nachdruck. »Der Siebl ist erledigt worden, weil er mit der Sache Anne Blohm zu tun hatte und zum Problem geworden ist.«
Lara klang genervt. »Das haben wir nun schon einige Male wiederholt. Es ist die wahrscheinlichste Variante, Alex. Niemand sonst hätte ihn auf den Gleisen abgelegt, um einen Suizid vorzutäuschen. Aber es hilft uns nicht weiter. Siebl ist als Quelle futsch – und das ist unendlich frustrierend.«
»Wir wissen noch nicht mal, wo er wohnte«, wendete sich Bucher an Zenner, der ein wenig erschrak, weil ihn auch die anderen ansahen. Erwartete man eine Äußerung von ihm?
Weiss erlöste ihn. »Sein Vater muss doch mehr wissen, als er bisher angegeben hat. Wir werden ihn doch zum Reden bringen, oder? Schließlich hockt er in der Zelle drunten.«
»Ihr habt seinen Vater festgenommen?«, fragte Zenner.
Bucher erklärte: »Nicht festgenommen. Es ist eher so ein Aufenthalt auf freiwilliger Basis. Er wollte nicht alleine im Haus bleiben … und wusste in der Situation nicht wohin.« Er berichtete anschließend, wie Hartmann und er am Vormittag das Ehepaar Siebl aufgesucht und die Nachricht vom Tod ihres Sohnes überbracht hatten. Frau Siebl erlitt einen Schwächeanfall, erholte sich aber sehr schnell und war ruhelos im Wohnzimmer auf und ab gelaufen. Unbeobachtet war sie in die Küche gegangen und gleich darauf mit einem schweren Fleischmesser ins Wohnzimmer gestürmt. Ihr Mann lag auf dem Sofa und japste. Hartmann versuchte ihm ein paar Informationen zu entlocken. Das Ganze war völlig ohne Geschrei, ohne ein Geräusch vonstattengegangen. »Wie im Stummfilm«, sagte Bucher, »wie im Stummfilm.«
Nur die schnellen, klackenden Schritte auf dem Holzboden, das Rascheln der Kleidung war zu hören gewesen. Sonst blieb alles unterdrückt. Kein Schrei, kein lautes Klagen, kein Seufzen. Das war es, was die Situation so schrecklich gemacht hatte. Sie war schnell um die Ecke gekommen. Gott sei Dank hatte Bucher gerade am Tisch gestanden und eine glückliche Eingabe hatte ihn einen Stuhl packen lassen, denn in Sekundenbruchteilen entschied er nicht schießen zu wollen, nicht hier, nicht auf diese Frau, nicht aus diesem Grund. Die Lehne gegriffen, stieß er die massiven Holzbeine mehrfach in die stumme Frau. Es musste fürchterlich wehgetan haben, doch sie gab keinen Laut von sich.
Schließlich war es gelungen sie davon abzuhalten, ihrem Mann das Fleischmesser in den Bauch, in die Brust oder sonst wohin zu rammen. Es hatte lange gedauert, bis Unterstützung von der Streife da war, bis der Notarzt dazukam, der auch noch herumzickte, was die Einweisung ins Bezirkskrankenhaus anging. Bucher stöhnte und schloss seinen Bericht ab. »Genau das, was man an so einem Tag eben braucht.«
Zenner wiederholte zustimmend. »Genau das, was man an so einem Tag braucht.«
Siebl hockte also freiwillig in einer Zelle, seine Frau befand sich zur Beobachtung im Bezirkskrankenhaus Haar und ihr Bruder, ein Anwalt, hatte gegen diese Maßnahme bereits Beschwerde eingelegt.
Bis zur Besprechung hatten sich Bucher und die anderen schier die Finger wund geschrieben, um den ganzen formellen Kram zu erledigen, und waren seit dem Morgen noch keinen Schritt weitergekommen, was den Fall Anne Blohm anlangte.
»Gibt es
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