Marienplatz de Compostela (German Edition)
Schulter und tapste geräuschlos hinunter, sperrte die Haustüre auf und trat hinaus in den Tag.
Sie fühlte die Frische auf der Haut. Der kantige Kies drückte, kniff und stach an den Fußsohlen, doch nach wenigen Metern kam der Rasen und sie musste sich beherrschen nicht laut zu juchzen, als ihre Zehen über die Grasfläche glitten und den kühlen Tau abwischten. Es kitzelte und stach, war kalt und heiß zugleich und entfachte alle Lebenssinne; ein unvergleichliches Gefühl, das sich auf den ganzen Körper übertrug und wie aus einem Märchen zu stammen schien. Sie ging langsam, genoss jeden Schritt und spazierte ohne langen Aufenthalt direkt in den Teich. Das Wasser war klar und kalt. Mit kräftigen Zügen vertrieb sie die Kälte. Ein paar Vögel flogen zeternd auf, sie wendete und schwamm zurück. So ging es hin und her, bis sie sich rundum warm fühlte. Wieder aus dem Wasser, trat sie an die Schaukel, prüfte die Kette, die Holzstämme und den Holzsitz, der von grünen Flechten gekennzeichnet war. Sie legte das Handtuch darauf und begann sanft zu schaukeln. Ab einem gewissen Punkt begann die Kette ein helles Quietschen zu erzeugen. Sie lachte darüber, und über sich, und über das Glück dieses Tages.
Eine Stunde später stand sie in der Küche, war frisch geduscht, angezogen und brühte Kaffee auf.
Aus dem hinteren Bereich des Erdgeschosses war schon Geklapper zu hören gewesen und das Rauschen in Wasserrohren. Laurenz Bohden war also wach. Ob er ein Frühaufsteher war, oder sie ihn geweckt hatte? Die Sonnenstrahlen berührten inzwischen die obersten Wipfel der hohen Bäume. Bald würde der Park in hellem Licht liegen. Da würde sie aber schon weit weg sein.
Ein Motorengeräusch irritierte sie. Sie ging ans Fenster. Es kam vom Einfahrtstor drüben, klang aber ganz anders als ihr Diesel. Gleich darauf fuhr ein dunkelgrüner Opel Omega Kombi bis vor das Haus und ein Typ stieg aus. Er hatte braune, lockige Haare, trug Jeans, ein helles Sommerhemd, hatte große Hände und sah müde aus.
Er erschrak und fuhr herum, als sie ein »Guten Morgen« aus dem Fenster rief. Es tat ihr leid, kaum dass sie es gesagt hatte, denn er erschrak sich wirklich sehr und blieb erstarrt stehen; sah sie an, wie eine Erscheinung. Lara Saiter lächelte und wiederholte, etwas leiser und weniger forsch: »Guten Morgen. Hab ich Sie sehr erschrocken?«
Er nickte nur, blieb stumm und holte Tüten aus dem Wagen. Semmeln, Brezn, Mohnstangen.
Sie setzte Milch auf. Warme Milch und warmer Kaffee gemischt, dazu ein Stück Zucker. Der Typ machte den Eindruck sich hier auszukennen und dazuzugehören, vermutlich war es der Neffe von Laurenz Bohden, und er sah überhaupt nicht aus wie ein gewalttätiger Verbrecher. Würde ein solcher einen Opel Omega fahren? Kombi? In Grün? Unvorstellbar. Viel zu auffällig.
Laurenz Bohden hatte das Motorengeräusch hergeholt. Er kam zeitgleich mit dem Opeltypen in der Küche an und stellte ihn als seinen Neffen vor – Maximilian hieß er und er reichte ihr artig die Hand.
Fester Händedruck, bemerkte sie, aber sprechen kann er nicht, der Maximilian.
Im Garten war es noch zu frisch, um so ganz angenehm zu frühstücken. Der Holztisch in der Küche tat es auch – sie saßen zu dritt da und schwiegen.
Komische Stimmung, fand Lara Saiter, und wusste nicht so recht, wie sie ein Gespräch in Gang bringen sollte.
»Bringen Sie immer so viele Semmeln und Brezn und Croissants mit?«, fragte sie frech. Denn woher hätte er wissen sollen, dass Besuch da war, wenn nicht durch ein Telefonat mit seinem Onkel.
Maximilian schüttelte nur den Kopf.
Ein rechtes Flirtmonster, dachte sie, und wendete sich an seinen Onkel. »Diese Fabrik, von der Sie gestern erzählt haben, die ist ganz in der Nähe, ja?«
»Mhm, gleich hinter dem Waldstück. Zurück zur Straße, ein paar Hundert Meter in Richtung München, bis ein fürchterlicher Teerweg rechts abzweigt. Ich nehme nicht an, man hat ihn in den letzten Jahren erneuert. Nach zwei, drei Minuten stehen Sie vor dem alten Industrietempel. Aber was wollen Sie dort, da ist nichts.«
»Ihre Erzählung hat mich neugierig gemacht und es ist ja ein besonderer Ort.«
Laurenz Bohden warf seinem Neffen einen verzweifelt wirkenden Blick zu und sagte auffordernd: »Frau Saiter ist von der Polizei.«
Maximilian ließ seine großen Augen für eine lange Sekunde auf ihr ruhen. Nach einem »Mhm« sah er wieder auf seine Semmel.
Bohden wendete sich an Lara und sagte entschuldigend: »Er
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