Marienplatz de Compostela (German Edition)
alles nur, um mit wenigen Takten all diese Mühsale und Plagen wiederaufzulösen, sie als im Grunde nichtig erscheinen zu lassen und einen dadurch das Gefühl zu geben, Teil des Glücks zu sein. Die Berliner konnten es schon, musste Zenner zugeben.
Er wusste selbst nicht mehr wie es zugegangen war, aber nach Motörhead, Black Sabbath und Dreamtheatre war er in eine Lebensphase geraten, in der ihn andere Töne anzogen. Mit Mozart hatte er nicht lange rumgetan – zu zart. Bach war ihm zu klar gewesen – das war er selbst – und Beethoven musste wirklich ziemlich verrückt gewesen sein. Das war seine unerschütterliche Meinung, nachdem er alle Streichquartette an einem verregneten Wochenende durchgehört hatte. Diszipliniert war er drangegangen, so als wäre es Dienst, weil er es gelesen hatte, in der Zeitung.
Dann war ihm Dvořák untergekommen.
Noch immer dröhnte der letzte Paukenschlag in ihm, seine Kollegin war wach geworden und er war mit dem Wagen die Dachauer rausgefahren. Am Funk wurde Verstärkung gerufen. Ein Unfall ohne . Unproblematische Sache im Grunde. Doch es war im Norden, nicht ihr Dienstbereich und ging sie somit nichts an. Zenner nahm den Funkruf zur Kenntnis, die Kollegin griff sofort den Hörer und meldete sich eifrig. Er drehte den Kopf zur Seite und sah angesäuert hinüber zur Mercedes-Glasfront, wo es silbern blinkte, dass einem das Auge über und über davon wurde. Er sagte nichts, aber das musste er ihr schon noch abgewöhnen. Die halbe Nacht pennen und sich dann bei der ersten Gelegenheit am Funk ranschleimen.
Sie ahnte, was er dachte, und suchte sich zu entschuldigen: »Ist doch nur ein kleiner Unfall ohne Personenschaden. Ist schnell gemacht und außerdem sind wir über die A99 doch gleich da.«
Er sah sie an: »Doch gleich da? Zu der Zeit kommt nur noch Abfall und Arbeit, da schmeißt man sich nicht in die erste Reihe, Mädchen. Ein Unfall, auch noch in einer anderen Galaxie, ohne Fremdbeteiligung, ohne Personenschaden … was glaubst du, was das sein kann? Nur Mist.«
Ein erster heller Schimmer tauchte über Pasing auf und die Sterne strahlten in tiefem Blau. Zenner gab Gas.
Auf dem Parkplatz an der Münchner Nordachse der A99 standen zwei abgestellte Lkw mit Münchner Kennzeichen herum. Die Fahrer hatten die Nacht zu Hause verbracht und würden am Morgen von hier aus starten. So war das üblich. Trotzdem fragte die Kollegin die Kennzeichen über Funk ab: kein Bestand.
Zenner ließ den Wagen langsam an den Lastern vorbeirollen, hellwach und immer gewärtig in eine Lage zu kommen. Solche läppischen Sachen kurz vor Schichtende gefielen ihm am allerwenigsten.
Ein Stück weiter vorne war ein Pkw zu erkennen. Er zog den Wagen nach rechts, um die Stelle in den Scheinwerferkegel zu stellen. Das Fernlicht zeigte einen Ford Mondeo, blau, Augsburger Kennzeichen.
Die Fahrertür stand offen. Eine Person war da auf dem Fahrersitz. Nur die Beine waren zu erkennen, die auf den Asphalt hingen. Zenner stoppte den Wagen. Sicherheitsabstand. »Das ist Scheiße«, sagte er und stellte den Wahlhebel der Automatik auf Rückwärts .
Die Kollegin wiederholte schuldbewusst: »Scheiße, ja.« Jetzt tat es ihr leid, die Sache aufgerissen zu haben. Sie gab das Kennzeichen durch, ließ den Halter des Mondeo ausgeben und ihn nach Fahndungen überprüfen.
Sie warteten auf das Ergebnis.
Zenner blinkte zweimal mit dem Fernlicht auf und schaltete das Blaulicht ein. Aufgeregt zuckten blaue LED -Sequenzen in den noch dunklen Tag. Keine Reaktion. Die Beine rührten sich nicht. Der Kerl – den Beinen nach musste es ein Kerl sein – zeigte keine Reaktion. Er hing irgendwie komisch im Sitz, saß nicht und lag nicht. Jeder normale Mensch hätte sich jetzt gezeigt und seine friedlichen Absichten deutlich gemacht.
Eine müde Stimme schnarrte am Funk die Abfrageergebnisse herunter: »Mondeo ohne Bestand. Halter ein Bernhard Joschek, siebenunddreißig, zweimal Körperverletzung, dreimal Eigentumsdelikte, einmal Hausfriedensbruch, aktuell ohne. Gelegenheitskrimineller … sollte einsachtzig groß sein, schulterlange, braune Haare, glatt. Tätowierung rechter Unterarm … Schlange mit Speer. Habt ihr den vor euch?«
»Werden wir gleich wissen«, raunte Zenner. Die Kollegin gab durch, dass sie außerhalb gingen, um die Person zu kontrollieren, die bisher auf Ansprache nicht reagiert hatte.
Die Stimme am Funk klang nun wach. »Schicke Verstärkung vorbei, sobald verfügbar.«
Zenner legte ein gehässiges
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