Marienplatz de Compostela (German Edition)
Wohnung, ein Handy – wir brauchen Anschrift und Telefonnummer. Gemeldet ist er unter dieser Adresse.«
»Ja, schon«, sagte Siebl, und es klang teilnahmslos. Er stützte seinen Oberkörper mit den Unterarmen auf der Tischplatte ab, was seiner Person eine gewisse Angriffslustigkeit verlieh. Seine Frau lehnte weit hinten, an der Stuhllehne, um möglichst viel gefühlten Abstand zwischen sich und Lara Saiter zu bringen.
»Wann wird er wieder hier sein?«
»Das ist schwierig. Er arbeitet für eine Montagefirma … Tankstellen … sie bauen Tankstellen auf und sind viel unterwegs.«
Lara Saiter legte ihren Notizblock zurecht und signalisierte Schreibbereitschaft. »Die Handynummer Ihres Sohnes, Telefonnummer der Firma bitte, Ansprechpartner?«
Frau Siebl schaltete sich wieder ein. »Ich wüsste zunächst gerne, aus welchem Grund Sie in dieser brüsken Art und Weise einfallen und weswegen Sie unseren Sohn sprechen möchten.«
Hartmann erklärte in knappen Worten, weswegen sie Tobias Siebl sprechen wollten. Bewusst verzichtete er dabei darauf das Wort Sohn zu verwenden, sondern sprach von Tobias Siebl, als wäre es ein fremder Mensch in diesem Haus. Es tat weh, wenn Eltern die Namen ihrer Kinder auf so distanzierte Weise hörten, noch dazu in den eigenen vier Wänden. Es machte sie sich selbst gegenüber ein Stück fremder.
Siebl lachte gespielt auf. »Also nun mal halblang …«
Lara Saiter ließ ihn nicht aussprechen. Ihr war Hartmanns Taktik aufgefallen und sie führte sie weiter: »Nichts da mit halblang! Tobias Siebl hat Anne Blohm bedrängt und belästigt, musste deswegen das Resozialisierungsprojekt verlassen! Nun ist Anne Blohm spurlos verschwunden und wir werden ihn finden und mit ihm reden – so oder so. Sollten Sie nicht kooperieren, werden wir ihn zur Fahndung ausschreiben – haben Sie das verstanden, Herr Siebl«, die letzten Worte sprach sie nicht drohend, vielmehr eindringlich. Ihre Augen wendeten sich an seine Frau: »Frau Siebl, verstehen Sie, wovon ich rede? Sie wissen doch, wie das läuft, also – wo hält er sich auf, wie können wir ihn erreichen?«
Siebl musste schlucken. Seine Haltung hatte das Aggressive verloren und wirkte nun verkrampft. »Wie gesagt, ich weiß es nicht. Wir haben selbst keine Handynummer von ihm. Die wechseln die Handys heute ja ständig.«
»Lassen Sie diesen Unsinn, Herr Siebl! Und die Kontaktdaten dieser Montagefirma, die brauchen wir auch«, forderte Lara Saiter.
Siebl schnaufte genervt. »Die heißen Montage Aquitaine … eine französische Firma.« Er stand auf und schlurfte zum Sideboard, kramte in einer Schublade und kam mit einer Visitenkarte zurück.
»Bevor Sie sich setzen, Herr Siebl, ein aktuelles Foto … haben Sie eines da?«
Siebl sah hilflos zu seiner Frau. Die stand auf, ging nach oben und kam mit einem Foto ihres Sohnes zurück.
Obwohl Hartmann gerne Blickkontakt zu Lara aufgenommen hätte, als er französische Firma hörte, unterdrückte er den Reflex und behielt die beiden Siebls im Blick. Ein eigenartiges Paar.
Als alle wieder am Tisch versammelt waren, fragte Lara: »Ihr Sohn arbeitet für eine französische Firma?«
Siebl ließ seine Arme unmutig durch die Luft fahren, um das Unnütze der Frage sichtbar werden zu lassen. »Ja, mein Gott, es ist eine französische Firma, na und! Gehört zu einem Mineralölkonzern. Sie erledigen alle Arbeiten, die im zugehörigen Tankstellennetz anfallen. Neuaufbau, Umgestaltung, Renaturierung, was es da eben so alles gibt. Ist doch eine sinnvolle Tätigkeit, oder haben Sie etwas dagegen? Die geben Leuten eine Chance, die woanders keine hätten.«
Lara Saiter blieb unbeeindruckt. »Demnach könnte sich Ihr Sohn auch im Ausland befinden?«
»Könnte er, ja.«
»In Frankreich?«
»Da haben die auch zu tun, ja. Überwiegend aber in Deutschland und der Schweiz.
»Ihr Sohn spricht französisch?«
»Ja. Ganz gut sogar, inzwischen.«
»Seit wann arbeitet er bei dieser Firma?«
»Kurz nachdem er unsere Einrichtung verlassen hat … seit fast einem Jahr.«
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«, fragte Hartmann.
Frau Siebl schaltete sich schnell ein. »Das ist einige Zeit her. Vielleicht drei, vier Wochen. Er ist ja viel unterwegs. Wenn er hier in Deutschland ist, wohnt er zur Untermiete bei einem Bekannten. Wir wissen nicht, wo das ist. Er kommt selten hierher. Reicht Ihnen das jetzt!?« Sie fasste sich ans Ohrläppchen.
Ihr Mann führte derweil die Hand zum Mund und wollte am Daumennagel
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