Marienplatz de Compostela (German Edition)
kauen, unterbrach das Vorhaben aber erschrocken.
Hartmann massierte sein Kinn. Weder er noch Lara entgegneten etwas und die letzten Worte von Frau Siebl hingen im Raum. Sie rieb nun ihren Unterarm, als fröre sie.
Beide schlechte Lügner, dachte Hartmann.
Lara Saiter lehnte sich zurück, hob den Kopf ein wenig und sah die Siebls mit festem, ernstem Blick an.
»Schönes Bild«, sagte Hartmann, völlig aus dem Zusammenhang gerissen, und deutete zur Wand, wo die Heuernte hing.
»Ja«, kam es knapp von Siebl.
»Erzählen Sie uns von Ihrem Sohn, von seinem Konflikt mit Anne Blohm«, führte Lara Saiter zum Thema zurück..
Siebl war die Erleichterung anzumerken, dass das Schweigen ein Ende genommen hatte. Er brauste theatralisch auf. »Ja, ich war ja nicht dabei! Ich war ja nicht dabei!«
»Aber Sie wissen was geschehen ist.«
»Was geschehen ist … was geschehen ist. Mein Gott, er war vermutlich scharf auf sie, oder verliebt, wie das eben so ist, nicht wahr! Nichts Verbotenes, oder?! Das ist doch nichts Verbotenes!«
»Sie mussten ihn aus dem Programm nehmen.«
Siebl lenkte mit zurückgenommener Stimme ein. »Ja gut, er ist ihr nachgestiegen.«
Lara Saiter ließ ein sarkastisches Lächeln auf ihrem Gesicht erscheinen. »Bedrängt? Eine versuchte Vergewaltigung wohl eher.«
»Ach, wo denken Sie denn hin!«, erregte sich Frau Siebl und gab ihre Zurückhaltung auf. »Er mag zudringlich geworden sein, mehr aber auch nicht.«
»Mehr nicht? Weswegen musste er dann gehen? Das wäre alleine kein Grund gewesen, oder?«
»Es ist wohl zwei, drei Mal zu solchen Ereignissen gekommen und Frau Blohm hat Konsequenzen gefordert.«
Über Lara Saiters Gesicht huschte ein böses Lächeln. »Ach so, Anne Blohm musste die Konsequenzen erst fordern. Es wurde also nicht als selbstverständlich erachtet in eigener Verantwortung tätig zu werden.«
»Sie wollen das falsch verstehen!«, giftete Siebl, »Sie wollen das einfach falsch verstehen. Im Grunde war da doch nichts. Er hat sie nur nicht in Ruhe gelassen, hat nicht auf mich … nicht auf uns gehört.«
»Nicht in Ruhe gelassen … nicht auf Sie gehört. Wo hat er sie denn nicht in Ruhe gelassen, wie Sie das formulieren? Hat er ihr außerhalb der Einrichtung aufgelauert?«
Siebl schnaubte. »Er hat sie zwei Mal vor ihrer Wohnung abgepasst, ja, mein Gott! Nur weil er zuvor mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten ist, muss das ja noch nichts heißen. Ihre Verdächtigungen …«
Lara Saiter unterbrach mit einer sanften Handbewegung. »Ist gut … wir kennen die Akte Ihres Sohnes. Anne Blohm hat darauf verzichtet die Polizei einzuschalten. Gab es einen Deal? Keine Polizei – dafür verlässt Tobias Siebl das Programm?«
»Es gab keinen Deal.«
»Laut Akten neigt Tobias Siebl zu Gewalttätigkeiten«, stellte Hartmann fest, »wenn Anne Blohm Anzeige erstattet hätte, wäre es das gewesen, mit Integrationsromantik, Segeltörns und Zeltlager in Lappland. Es hätte Knast bedeutet und das Jugendstrafrecht hätte auch nicht mehr so recht gezogen. Starker Tobak, wie ich finde.«
»Ja, wenn es in den Akten steht«, brummte Siebl widerspenstig, »wenn es da so drinsteht, dann wird es wohl so sein.«
»Die Handynummer … Sie wollten mir noch die Handynummer von Tobias Siebl geben«, erinnerte ihn Lara Saiter.
Seine Frau legte ihre Hand auf seinen Unterarm, als er die Zahlen langsam sprach.
Hartmann fragte währenddessen nach ihrer beruflichen Tätigkeit. »Selbstständig«, lautete die einsilbige Antwort.
Siebl sah ihn an und meinte schnippisch: »Wo ich arbeite, wissen Sie ja inzwischen.«
»Das schon, aber eine Frage dazu. Hat Ihre Firma etwas mit der Kirche zu tun?«
»Nein. Wie kommen Sie darauf? Wir sind eine sozialintegrative Einrichtung, privatwirtschaftlich organisiert und tätig. Falls Sie mehr darüber wissen möchten und nichts Besseres zu tun haben, dann fragen Sie bei einem Doktor Schott nach, der diese Firmen gegründet hat und ihnen vorsteht.«
Hartmann wollte sogleich Telefonnummer und Adresse wissen. Siebl antwortete widerwillig und bereute seinen Vorschlag. Unablässig traktierte er seine Unterlippe mit den Zähnen.
In seinem Inneren breitete sich eine große Angst aus. Eine Angst, die mächtiger und bedrohlicher war als die Ängste, die er zuvor erlebt hatte, wenn die Polizei wegen Tobias gekommen war; wegen der Drogen, Einbrüche, und anderer Sachen. Diese Polizisten, die waren anders. Wie sie auftraten, sprachen, sich bewegten – ohne Scheu,
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